Die Ausstellung ist in Kooperation mit der Galerie “Beck & Eggeling” entstanden/Ausgewählte Arbeiten der Schau können bereits jetzt digital erkundet werden
In Kooperation mit der Galerie “Beck & Eggeling” hat das Stadtmuseum Düsseldorf die Projektraumausstellung “Chris Reinecke. Partizipation von ich und wir. Leben und Wohnen und Arbeiten in der Stadt. Düsseldorf 1967–1971” umgesetzt. Digital gibt es für Interessierte nun erste Einblicke in die Schau: Das Stadtmuseum Düsseldorf zeigt eine Auswahl der ausgestellten Arbeiten online, da derzeit der Besuch der Ausstellung vor Ort coronabedingt nicht möglich ist. Interessierte können die Online-Präsentation über die Social Media Kanäle des Stadtmuseums, Facebook und Instagram, und über die Homepage entdecken. Die Schau soll bis zum 28. März laufen.
Die Ausstellung umfasst Flugschriften, Aktionsblätter, Plakate und Objekte aus dem Archiv von Chris Reinecke. Sie stammen aus den späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren, in denen Chris Reinecke als Mitbegründerin des “Lidl”-Projekts, aus dem später die “Mietersolidarität” hervorging, eine der Exponentinnen der Düsseldorfer Kunstszene war. Die ausgestellten Arbeiten zeigen, wie sehr sich im Diskurs der damaligen Zeit Kunst, Politik und Leben miteinander verbinden sollten und welche revolutionäre Kraft dem “erweiterten Kunstbegriff” als kollektiven Prozess beigemessen wurde. Vor allem aber überraschen sie mit der fast ungebrochenen Aktualität und der fast hellsichtigen Art, mit der sich Chris Reinecke den gesellschaftlichen, politischen, ökonomischen und künstlerischen Fragen ihrer Zeit gestellt hat.
Zu Chris Reinecke
Chris Reinecke beginnt ihre künstlerische Laufbahn als Malerin 1959 in Paris, studiert zunächst im “Atelier de Dessin et d’Arts Décoratifs” und dann an der “École Nationale Supérieure des Beaux Arts”. 1961 verlässt sie Frankreich und beginnt ihr Studium an der Kunstakademie Düsseldorf bei K.O. Götz und wechselt dann in die Klasse zu Gerhard Hoehme. 1964 lernt sie an der Akademie Jörg Immendorff kennen, den sie ein Jahr später heiratet, und beginnt sich nach Abschluss ihres Studiums in der mittlerweile von Joseph-Beuys geprägten Düsseldorfer Szene, im Umfeld von Fluxus, Happening und Neuer Musik und vor dem Hintergrund der sich formierenden, politisierten Studentenbewegung, künstlerisch zu positionieren. Reineckes Arbeit ist in dieser Zeit gekennzeichnet von einem partizipatorischen Prinzip. Sie schafft Ausgangssituationen für offene Prozesse, die dem Publikum die Möglichkeiten des eigenen Handelns bewusst machen, die Menschen für die sie umgebenden Verhältnisse sensibilisieren und darüber zu einer Erweiterung des Erfahrungsraumes führen sollen.
1968, in der Hochphase der studentischen Unruhen, kommen Reinecke und Immendorff zu dem Schluss, dass es neue Wege brauche, um auch ein uninformiertes, kulturell nicht vorgebildetes Publikum, die “normale” Bevölkerung, zu erreichen. So wird das Projekt “Lidl” ins Leben gerufen. “Lidl” ist ein in alle Richtungen offenes Modell: offen für jedes Publikum, offen auch für Beteiligung anderer Künstlerinnen und Künstler sowie Mitwirkenden und der exemplarische Rahmen zur Erprobung des “erweiterten Kunstbegriffs” und die intendierte endgültige Auflösung der Trennung zwischen Künstler und Publikum. In den folgenden Jahren politisiert sich “Lidl” zunehmend. “Lidl”, das dann als “Büro Olympia” firmiert, wird zum Anlaufpunkt verschiedener politischer und gesellschaftlicher Interessengruppen. Reinecke verfasst Flugschriften und Aktionsblätter und fertigt Schaufensterplakate an. Sport (als Möglichkeit einer spielerischen Zusammenkunft als Kollektiv) und Transport (als Metapher für gesellschaftliche Beweglichkeit und Veränderung) tauchen auf ihnen wie Kampfbegriffe auf. Gleichzeitig entsteht die Figur der Minna Beuff, eine Art Alter Ego, mit der Reinecke den Kampf um ihre Autonomie als Frau im Umfeld eines noch immer von Männern dominierten politischen Aktivismus verhandelt.
Immer öfter suchen Mietergruppen, die sich im Kampf gegen Wohnungsnot, Spekulation und Mietwucher in Düsseldorf zusammengeschlossen haben, den Kontakt zum “Büro Olympia”. Im Sommer 1970 wird die “Selbst-Hilfe Wohnen” gegründet, die sich wenig später “Mietersolidarität” nennt. Reinecke organisiert Zusammenkünfte in Parks, hilft bei Auseinandersetzungen mit Behörden, besucht Unterkünfte von Gastarbeiterfamilien. Für Reinecke tritt die Kunst in dieser Zeit hinter der konkreten politischen Arbeit zurück. Spannungen und Differenzen über künstlerische und politische Strategien innerhalb der “Lidl”-Gruppe werden immer virulenter. Reinecke führt die “Mietersolidarität” noch bis 1971 fort. Danach zieht sie sich vorerst vom Kunstbetrieb zurück und wird erst in den 1980er-Jahren wieder vermehrt in Ausstellungen präsent sein.
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