94 städtische Akten aus Beständen des Stadtarchivs mit 80.000 Seiten aus den Jahren 1933–1945 ausgewertet
Das Düsseldorfer Stadtarchiv und die Stabsstelle Provenienzforschung haben ein gemeinsames umfangreiches Projekt zur Erschließung von städtischen Akten aus der NS-Zeit (1933–1945) abgeschlossen. Als Ergebnis liegt nun ein digitales Findmittel bereit, über das Provenienzforschende und andere Interessierte online recherchieren und die Archivalien abrufen können.
Gefördert wurde die im November 2019 gestartete Tiefenverzeichnung der Akten vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg. Zeitgleich wurden die Quellen mit Unterstützung von “WissensWandel. Digitalprogramm für Bibliotheken und Archive” innerhalb der Förderlinie “Neustart Kultur” digitalisiert. Durch das Projekt werden diese wichtigen Archivalien weltweit zugänglich und gleichzeitig nachhaltig gesichert. Die Daten sind über das Internetportal “Archive in NRW”, zukünftig auch über“Archivportal‑D” und die “Deutsche Digitale Bibliothek”, abrufbar.
Die Kunsthistorikerin Nadja Brzezina und die Historikerin Dr. Annett Büttner haben in dem Projekt 94 Akten mit insgesamt etwa 80.000 Seiten, vor allem Angebots‑, Ankaufs- und Gutachtenakten der Düsseldorfer Kunstsammlungen aus der Zeit des Nationalsozialismus ausgewertet. Davon sind über 70 Akten tiefenerschlossen und gescannt worden. Auch Korrespondenzen mit auswärtigen Museen und andere für die Provenienzforschung wichtige Archivalien, beispielsweise zeitlich unmittelbar angrenzende Ankaufsakten der 1920er Jahre, wurden aufbereitet und im Detail durchsuchbar gemacht.
Archivalien reichen auch über Düsseldorf und das Rheinland hinaus
Das Stadtarchiv Düsseldorf bewahrt neben den Unterlagen der Kunstsammlungen auch die des übergeordneten Kulturamtes und des Oberbürgermeisters. Diese wurden ebenfalls berücksichtigt, sodass den Forschenden verschiedene Überlieferungsquellen zur Verfügung stehen. Somit können nun einzelne Kunstwerke und Personen, aber auch allgemein zum Kunst- und Kulturbetrieb recherchiert werden. Die Archivalien beziehen sich nicht nur auf den Raum Düsseldorf, sondern reichen auch über das Rheinland hinaus. Sie zeigen etwa Verbindungen zu den besetzten Gebieten der Niederlande und Frankreichs zu Beginn der 1940er-Jahre.
Durch die Digitalisierung der Akten mit Hilfe von “WissensWandel“ kann der zugehörige Schriftverkehr, häufig handschriftliche Originalunterlagen, online gelesen werden. Zu diesem Zweck wurden mehr als 67.000 Scans angefertigt. Für die nationale und internationale Provenienzforschung stellt diese Art der digitalen Erschließung von Quellen ein wichtiges Serviceinstrument dar.
So ließ sich zum Beispiel die Herkunft des Gemäldes “An der Orangerie im Park von Schloss Buch” vom kürzlich wiederentdeckten Künstler Johann Erdmann Hummel ermitteln, die im Rahmen einer Ausstellung der Alten Nationalgalerie Berlin recherchiert worden war.
Aufbau einer Infrastruktur zur systematischen Provienzforschung
Das Projekt im Stadtarchiv zählt zu den Bausteinen, mit denen die Landeshauptstadt Düsseldorf seit 2018 eine Infrastruktur aufbaut, um die städtische Provenienzforschung systematisch und nachhaltig durchzuführen. Die Leiterin der Stabsstelle Provenienzforschung, Dr. Iris Metje, betont den Nutzen des neuen Findmittels für diese Aufgabe: “Die Möglichkeit, die Akten online zu durchsuchen und sich die Digitalisate anzeigen zu lassen, macht unsere Arbeit effizienter. Während der systematischen Überprüfung von Sammlungsbeständen, die derzeit erfolgt, können wir nun schnell und unkompliziert die relevanten Quellen zu den bearbeiteten Objekten in den Aktenbeständen des Stadtarchivs auffinden.”
Für Jasmin Hartmann, Leiterin der Koordinationsstelle für Provenienzforschung in NRW, kurz KPF.NRW, ist die Tiefenerschließung der Akten des Stadtarchivs ein Leuchtturmprojekt für eine systematische Provenienzforschung: “Es ist ein Meilenstein, die Düsseldorfer Akten nun zeit- und ortsunabhängig nach Personen, Institutionen des Kunstmarktes, Kunstwerken, Orten, Ereignissen wie Auktionen oder auch themenspezifischen Schlagworten durchsuchen zu können. Sie bieten vielfach Informationen, die man nicht unbedingt in den Düsseldorfer Akten vermutet hätte.”
Zukünftig wird die Aufbereitung von für die Provenienzforschung relevanten Quellen ein maßgeblicher Baustein der landesweit agieren KPF.NRW zur Etablierung des Forschungsbereichs sein. Jasmin Hartmann: “Ich bin überzeugt, dass so gut wie jedes Museum noch Korrespondenz mit Sammlern, Kunsthändlern oder beispielsweise Behörden besitzt, die die Kunstmarktforschung und Herkunftsrecherchen wesentlich voranbringen können.”
Eine Liste der erschlossenen Akten mit Links zum Archivportal‑D ist auf der Internetseite der Provenienzforschung der Landeshauptstadt Düsseldorf hinterlegt. Das Archivportal‑D ist auch erreichbar unter der Adresse https://www.archive.nrw.de/archivsuche?link=VERZEICHUNGSEINHEIT-Vz_0102D5CA-1B71-4EB0-A01D-FA6542E3AED2