In der Nacht von Mittwoch, 9. November, auf Donnerstag, 10. November, jähren sich die Ereignisse des Novemberpogroms 1938 zum 84. Mal. Allein in Düsseldorf gab es mehr als 450 Überfälle auf Wohnungen und Geschäftsräume, mindestens 70 Menschen wurden teilweise schwer verletzt, 13 Menschen starben während oder an den Folgen des Pogroms. Mit verschiedenen Veranstaltungen gedenkt die Landeshauptstadt Düsseldorf der Opfer der Novemberpogrome.
Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller: “Die schrecklichen Ereignisse des Novemberpogroms dürfen niemals in Vergessenheit geraten. Ihrer zu gedenken, ist elementarer Bestandteil unserer Erinnerungskultur. Wir erinnern und mahnen zugleich — es liegt in unser aller Verantwortung, Antisemitismus, Hass und Ausgrenzung die Stirn zu bieten und entschieden für unser demokratisches Gemeinwesen und für unsere Mitmenschen einzutreten.”
Zentrale Gedenkstunde
Am Mittwoch, 9. November, fand die zentrale Gedenkstunde der Landeshauptstadt im Plenarsaal des Rathauses statt. Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller, Nathanael Liminski, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen und Chef der Staatskanzlei sowie der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, Dr. Oded Horowitz, sprachen dabei Worte des Gedenkens.
Ein besonderer Programmpunkt der Gedenkveranstaltung war der Filmbeitrag von Teilnehmenden der VHS Düsseldorf, Abteilung schulische Weiterbildung. Die jungen Menschen hatten sich im Vorfeld intensiv mit der Geschichte der Düsseldorfer deutsch-jüdischen Familie Altmann beschäftigt. Der Film dokumentiert ihre Recherchen zu David, Johanna und Alfred Altmann und ihre Auseinandersetzung mit den familiengeschichtlichen Zeugnissen. Erstmals konnte die Gedenkstunde per Livestream im Internet verfolgt werden.
Ehrengast aus Kanada
Eine besondere Ehre war die Anwesenheit von Jacquelyn Altman, der Enkelin von David und Johanna Altmann, die eigens aus dem kanadischen Toronto angereist war. Johanna Altmann leitete einen Modesalon auf der Blumenstraße, wo auch die Familie wohnte. Während des Novemberpogroms 1938 wurden Wohnung und Arbeitsstätte der Familie völlig verwüstet. Ihren Sohn Alfred hatten Johanna und David Altmann noch aus Düsseldorf retten können. Mit einem “Kindertransport” konnte er als Jugendlicher ins sichere Ausland flüchten. David und Johanna Altmann hingegen wurden aus ihrer Heimatstadt in das Ghetto Litzmannstadt deportiert und später in Auschwitz ermordet. Bis zur Deportation stand ihnen ihre ehemalige nichtjüdische Angestellte Martha Schumacher treu zur Seite. Sie suchte nach dem Krieg nach Alfred Altmann, um ihm Erinnerungsstücke weiterzugeben, die sie für ihn bewahrt hatte.
Andreas Kremer, Vorsitzender des Jugendring Düsseldorf, und Katharina Schunck, Bildungsreferentin des Jugendrings, stellten in ihren Worten des Gedenkens insbesondere Alfred Altman und seine Fluchterfahrung in den Mittelpunkt. Sie mahnten, nicht nur den Blick zurück zu richten, sondern mit dem Wissen um die Vergangenheit die Gegenwart menschlich zu gestalten, so gegenüber jungen Menschen, die wie Alfred Altmann ihre Heimat als Flüchtlinge verlassen müssen. Zum Abschluss der Veranstaltung stimmte der Kantor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf Aaron Malinsky das Trauergebet “El male rachamim” an.
Kranzniederlegung an der Kasernenstraße
Am Mittwochvormittag hatten Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller, Landtagspräsident André Kuper, Minister Nathanael Liminski, Dr. Oded Horowitz und weitere Vertreter aus Politik, Kirchen, Verbänden und Gewerkschaften auf Einladung der Jüdischen Gemeinde und der Mahn- und Gedenkstätte Kränze am ehemaligen Standort der Düsseldorfer Synagoge, Kasernenstraße/Ecke Siegfried-Klein-Straße, niedergelegt. Die große, im Jahr 1904 fertiggestellte Synagoge war in der Nacht vom 9. auf den 10. November verwüstet und angezündet worden. Sie wurde im Dezember 1938/Januar 1939 abgerissen.
Zahlreiche Veranstaltungen an den Vortagen Im Vorfeld des Gedenktages hatte es eine ganze Reihe an Veranstaltungen gegeben, die sich mit dem Leben der Familie Altmann, dem Überleben von Alfred Altmann und dem Mut der Hausangestellten Martha Schumacher auseinandersetzten. Auf Vermittlung der Mahn- und Gedenkstätte besuchte Jacquelyn Altman mehrere Düsseldorfer Schulen und trat mit den jungen Menschen in einen intensiven Dialog über ihre Familiengeschichte und jüdisches Leben im Zeichen von wachsendem Antisemitismus heute.
Am Montag, 7. November, wurde im Kino Black Box im Filmmuseum der Kurzfilm “It was the right thing to do” gezeigt. Jacquelyn Altman erzählt darin die Geschichte ihrer Großeltern Johanna und David Altmann und ihres Vaters Alfred aus Düsseldorf. Gemeinsam mit der Produzentin Naomi Wise, die den Film für die Organisation “International March of the Living” und die “Congregation Habonim of Toronto” erstellte, stand sie anschließend dem Publikum für ein ausführliches Gespräch zum Film zur Verfügung.
Am Dienstag, 8. November, fand ein Gedenkgang auf den Spuren der Familie Altmann statt. Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern des Friedrich-Rückert-Gymnasiums Düsseldorf begaben sich die Teilnehmenden in der Innenstadt rund um die Königsallee an die Orte, an denen Johanna, David und Alfred Altmann in Düsseldorf bis 1939 lebten. An drei Stationen berichteten die Schülerinnen und Schüler aus dem Leben der Familie. Jacquelyn Altman, Enkelin von Johanna und David Altmann, nahm an dem Gedenkgang teil.
Im Anschluss fand ein ökumenischer Gedenkgottesdienst in der Johannes-Kirche statt. Pater Elias H. Füllenbach O.P. hielt die Predigt. Jacquelyn Altman hielt eine Ansprache. Gedenkgang und Gedenkgottesdienst werden seit vielen Jahren vom Evangelischen Kirchenkreis Düsseldorf, von der Katholischen Kirche in Düsseldorf, der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Düsseldorf e.V. und der Mahn- und Gedenkstätte konzipiert und ausgerichtet.
Bis zum Nachmittag des 9. Novembers war zudem die Wanderausstellung “#Lastseen – Bilder der NS-Deportationen” der Arolsen Archives auf dem Marktplatz vor dem Rathaus zu besichtigen. Die Ausstellung illustriert die Initiative der Arolsen Archives, in historischen Bildersammlungen und Privatarchiven nach Fotos von den Sammlungen zur Deportation zu suchen.