Gabriele Schre­cken­berg erin­nert sich !

Sie war ein Segen

Eine groß­ar­tige Ärz­tin, ein fabel­haf­ter Mensch, eine attrak­tive und pep­pige Frau – die Adjek­tive rei­chen nicht für einen Nach­ruf auf Dr. Eva-Maria Wit­ting­ho­fer, die am 24. Juni im Alter von 77 Jah­ren ver­stor­ben ist.

Wir haben viele Erleb­nisse mit­ein­an­der tei­len kön­nen, lus­tige, ernste, trau­rige, besinn­li­che, mut­ma­chende, alles an Leben war dabei. Wie wir uns ken­nen­lern­ten, war schon ein beson­de­rer Auftakt.

 

Dr. Eva-Maria Wittinghofer Foto: Privat

Mit mei­ner Fami­lie zogen wir im Mai 1993 nach Duis­burg-Rahm, zuerst an den Rah­mer Bach. Als ich eines mit­tags die Müll­tonne an den Stra­ßen­rand stellte, kam ein BMW-Cabrio ange­saust, bremste auf dem Kies­strei­fen vor dem Haus und die Fah­re­rin hupte. Ich schnellte zurück und war überrascht.

Eine sehr hüb­sche Frau stieg aus, mit kur­zem Rock, High­heels, die klas­si­sche Arzt­ta­sche unter dem Arm. Im Eck­haus öff­nete eine alte Dame ihr Fens­ter im drit­ten Stock und ließ ihren Schlüs­sel am Band hin­un­ter. Eva ging hoch. Die Ärz­tin auf Hausbesuch.

Erst spä­ter erfuhr ich, dass Eva Wit­ting­ho­fer viele alte Men­schen in Rahm ärzt­lich betreute, die nicht mehr ihr Haus ver­las­sen konn­ten. Sie war die gute Seele, zum Behan­deln, zum Zuhö­ren, zum Mut machen, zum Lachen.

Als wir fünf Jahre spä­ter an das Rah­mer­busch­feld umge­zo­gen sind, haben wir die kom­plette Nach­bar­schaft zu uns ein­ge­la­den. Wir fei­er­ten Einweihung.

Unser Wohn­zim­mer war noch spär­lich möbliert, wir hat­ten gerade gebaut. So saß Eva neben einer ande­ren Nach­ba­rin auf der Fami­li­en­truhe und sagte: „Was für ein Glück, dass ihr nun hier seid!“

Wir wohn­ten erst einige Wochen in unse­rem neuen Haus, mein Büro­fens­ter ging Rich­tung Straße. Hier sah ich, wie Eva jeden Mor­gen ganz früh mit ihren Hun­den Win­s­ton und Chur­chill bei uns vor­bei ging.  Sie trug einen lan­gen roten Bade­man­tel, hatte eine Kaf­fee­tasse in der Hand und lief die Straße ein­mal hin­auf und hin­un­ter. Ihre Hunde stürm­ten in unse­ren Gar­ten, wir hat­ten noch kei­nen Zaun. Sie wuss­ten noch, dass die Arbei­ter, die unser Haus gebaut hat­ten, auf einem klei­nen Grill Reste von Würst­chen und Kote­letts für Win­s­ton und Chur­chill übrig gelas­sen hatten.

Für die Anger­mun­der und Rah­mer da

Ein Segen war sie. Wir wur­den Pati­en­ten, und sie hat unsere Fami­lie lie­be­voll betreut. Oft ist sie an Wochen­en­den, Aben­den und immer, wenn es nötig war, mit ihrem Arzt­kof­fer aus der Pra­xis zu uns hin­über gelau­fen und hat uns gehol­fen. Wenn das Fie­ber der Kin­der zu hoch, die Schmer­zen zu stark, die Rat­lo­sig­keit zu groß war, dann kam Eva.

Wir wur­den nach­bar­schaft­li­che Freunde.

Die Party’s im Hause Wit­ting­ho­fer waren legen­där.  Die Musik war immer fet­zig und laut auf­ge­dreht, das Essen fan­tas­tisch, der Wein floss in Strö­men, alle haben getanzt.

Eva sagte ein­mal: „Ich glaube, unser Haus wurde nur für Feste gebaut!“

Als ihr Ehe­mann Horst 2004 starb, haben wir geweint. Weil wir wuss­ten, dass damit eine Ära zu Ende ging. Die­ses Paar hat gefun­kelt, mit Leb­haf­tig­keit, mit Lebens­lust, mit geis­ti­gen Bon­mots. Die Tref­fen in der Nach­bar­schaft soll­ten ohne Horst nie mehr so wer­den wie sie vor­her waren.

Eva ist wie­der „auf­ge­stan­den“ und hat ihre Arzt­pra­xis in Rahm wei­ter­ge­führt. Die Men­schen aus dem Düs­sel­dor­fer Nor­den und Duis­bur­ger Süden lieb­ten sie ein­fach, nie­mand wollte auf sie verzichten.

Und sie hat sich auch noch ein­mal ver­liebt. Und mit ihrem neuen Lebens­part­ner in Anger­mund gelebt. Als er 2017 ver­starb, blieb Eva dort.

Sie war ein gro­ßer Hun­de­fan. Hatte  einen Bou­vier des Fland­res, einen Wei­ma­ra­ner,  zwei Labra­dore, zuletzt einen Rau­haar­da­ckel namens Leo. Manch­mal traf ich sie mit ihrem hüb­schen Hund.

Wie er so ist, wollte ich wis­sen. Ein typi­scher Dackel? Dick­köp­fig? „Leo ist sehr sozial“, sagte sie vol­ler Liebe. Das war Eva auch.  Sozial, tole­rant, men­schen­freund­lich, mode­be­wusst, lebens­lus­tig. Sie hatte auch eine Schwä­che für schöne Schuhe. Und für gute Geschich­ten. Für Skur­ri­les, für Ori­gi­nel­les. Sie hatte ein anste­cken­des und unver­wech­sel­ba­res Lachen und ver­suchte immer, die Son­nen­sei­ten des Lebens zu genie­ßen. Nie­mand konnte so gut Witze erzäh­len wie sie.

Es gibt Men­schen, die zie­hen an uns vor­bei und hin­ter­las­sen keine gro­ßen Schat­ten. Bei Eva ist das genau umge­kehrt: Wir den­ken an sie und lächeln sofort. Das ist wohl das größte Kom­pli­ment für ein gelun­ge­nes Leben.

Dr. Eva-Maria Wit­ting­ho­fer hin­ter­lässt zwei Söhne, zwei Schwie­ger­töch­ter, vier Enkel und eine rie­sige Schar von Men­schen, die sie schon jetzt vermissen.