Von Gabriele Schreckenberg
Ein Spaziergang durch Düsseldorf- Kaiserswerth
Mitten im romantischen, von Efeu bewucherten Gartenhaus steht eine marmorne Büste, gefertigt von einem der Enkel von Theodor Fliedner.
„Wer ein Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.“ So steht es in schwarzen Lettern auf weißem Grund im romantischen Gartenhaus der Familie Fliedner, das versteckt neben der Evangelischen Stadtkirche auf der Fliednerstraße im historischen Kaiserswerth liegt.
Der Gedanke, zu helfen, war tief verwurzelt in dem jungen evangelischen Pfarrer, der 1822 zum ersten Mal nach Kaiserswerth kam und blieb. Hier starb er 1864. Die Spuren seines Lebens und Wirkens ziehen sich durch den ganzen Ort. Eine Straße ist nach ihm benannt, ein evangelisches Gymnasium an der Kalkumer Schlossallee, und die Kaiserswerther Diakonie steht als Ursprung seiner Ideen und Arbeit.
Drei starke Frauen begleiteten Theodor Fliedner
Doch wie so oft schafft ein Mann nur so viel, wie die starken Frauen, die seinen Rücken stärken. Ohne sie im Hintergrund geht oft nicht viel.
Theodor Fliedner, der Begründer der Diakonissenanstalt in Kaiserswerth, war ein erstaunlicher Mann. Mit der Unterstützung von drei Frauen brachte er im 19. Jahrhundert das Projekt, qualifizierte Pflege in die ganze Welt zu bringen, auf den Weg. Unverzichtbare Gefährtinnen waren vor allem seine erste Ehefrau Friederike Fliedner, seine zweite Frau Caroline Fliedner und Florence Nightingale, die wohl berühmteste Krankenschwester der Welt. Sie alle bereiteten den Weg für die Diakonissen, die noch heute im Ortsbild von Kaiserswerth zu finden sind.
Spannend ist die Spurensuche nach dem Werk und Leben Theodor Fliedners in Kaiserswerth. Schon an der Klemensbrücke, die kurz vor dem Stammhaus am Kaiserswerther Markt verläuft, erfährt man, dass hier früher ein kleiner Nebenarm des Rheins durchgeflossen ist. Deshalb hieß Kaiserswerth auch „die Insel des Kaisers“, denn der mächtige Rhein fließt nur wenige Meter entfernt.
Im Kaiserswerther Stammhaus lebten die Diakonissen, die sich dem diakonischen Gedanken verpflichtet hatten, Alten, Kranken, Behinderten und allen Pflegebedürftigen ihr Leben lang zu helfen. Sie verpflichteten sich ferner, unverheiratet, evangelisch und kinderlos zu bleiben. Dafür bekamen sie im Gegenzug von Theodor Fliedner die lebenslange Versorgung zugesagt. Wohnen, Essen und Kleidung waren für sie umsonst. Dazu gab es ein jährliches Taschengeld von heute umgerechnet 45 Euro. Das reichte durchaus aus, denn nach 14 Stunden Arbeit am Tag und ohne Beleuchtung auf den Straßen war ihr Wunsch, auszugehen, nicht ausgeprägt.
Noch immer gibt es auf dem Gelände der Kaiserswerther Diakonie die sogenannten Feierabendhäuser, in denen die Diakonissen nach ihrem Ruhestand in Appartements ihre letzten Jahre verbringen. Auf dem Diakonissenfriedhof am Klemensplatz finden sie ihre letzte Ruhestätte. Alle Gräber sind gleich hoch und breit, damit sich niemand über die anderen erhebe. Das hat symbolischen Charakter und passt zum Weltbild der Diakonissen.
Das Leben der Diakonissen
Unverheiratete Frauen hatten es im 19. Jahrhundert in der Gesellschaft schwer, da ihnen vor allem Armut drohte und das Gefühl, von anderen abhängig zu sein, bedrückend war. Dem leistete Theodor Fliedner Vorschub. Jede Diakonisse bekam eine gute pflegerische Ausbildung, einen Arbeitsvertrag und eine Tracht, die Fliedner eigens entworfen hatte. Diese sollte ihnen Sicherheit auf den Straßen geben und sie vor Annäherungsversuchen schützen.
Die Kaiserswerther Diakonissen gehören mit ihren Trachten, den Schürzen und vor allem den weißen Häubchen zum Ortsbild. Und nicht nur hier, denn seit 1830 schickte Theodor Fliedner sie in die ganze Welt, um dort Pflege zu leisten. Wer sich einmal als Diakonisse verpflichtet hatte, konnte den Auftrag nicht ablehnen, außer es gab einen schweren Pflegefall in der eigenen Familie. Ein gepackter Koffer stand stets unter jedem Bett der Diakonissen.
Theodor Fliedners Leben und Wirken
Theodor Fliedner kam 1822 als evangelischer Pfarrer nach Kaiserswerth. Er wurde von der Gemeinde bezahlt, gründete die Diakonissenanstalt und heiratete Friederike Fliedner, die genauso alt war wie er. In einem Brief vor ihrer Vermählung schrieb er ihr, dass sie, wenn sie verheiratet seien, mit ihm alle Projekte nach vorne bringen solle, die ihm wichtig waren, und er bei Meinungsverschiedenheiten immer der Chef sein würde. Eine klare Ansage, die sie mitgetragen hat.
Gemeinsam hatten sie elf Kinder, von denen nur drei das Erwachsenenalter erreichten. Friederike Fliedner starb mit 42 Jahren und hat einen Ehrenplatz auf dem Diakonissenfriedhof in Kaiserswerth. Sieben ihrer Kinder sind mit ihr hier beerdigt. Sie unterstützte ihren Ehemann, der mehr als die Hälfte des Jahres auf Spendenreisen war, um Geld für sein Projekt zu sammeln, maßgeblich. Zudem war sie die erste Ansprechpartnerin für die vielen Diakonissen in Kaiserswerth. 1920 lebten 2.000 Diakonissen im Mutterhaus, dem heutigen Altenstammhaus der Diakonie.
Caroline Fliedner
Nachdem Friederike Fliedner 1842 gestorben war, heiratete Theodor Fliedner bereits 1843 erneut, diesmal Caroline, mit der er bis zu seinem Tod 1864 verheiratet war. Mit ihr hatte er weitere acht Kinder.
Doch nicht nur die Diakonie verdankt ihm ihre Entstehung. Auch um aus dem Gefängnis entlassene Frauen kümmerte er sich zusammen mit seiner ersten Ehefrau. Die Historie besagt, dass einige dieser Frauen im Dachgeschoss seines Pfarrhauses auf der Fliednerstraße neben der Stadtkirche wohnten. Sie wurden durch eine enge Betreuung wieder in das normale Leben integriert. Bei der Hälfte von ihnen gelang es, sie nach einer Phase mit Hausarbeit, Kochen und Wäscheverrichten als Mägde an umliegende Bauernhöfe zu vermitteln.
Florence Nightingale und Fliedners Einfluss auf die Pflege
Florence Nightingale, die Theodor Fliedner auf einer Spendenreise kennengelernt hatte, kam ebenfalls nach Kaiserswerth. 1850 wurde sie hier zwei Wochen lang als Krankenschwester ausgebildet und wohnte im heutigen Fliednerhof auf der Fliednerstraße. Ein Jahr später kehrte sie zurück nach Kaiserswerth und setzte ihre Ausbildung als Krankenschwester drei Monate lang fort.
1854 ging sie in einen Vorort von Istanbul, wo sie die furchtbare Hygiene beklagte. Denn weltweit starben mehr Menschen an schlechter Hygiene als an den Folgen der Krankheiten. Sie führte Statistiken und entwickelte ein Tortendiagramm, um zu dokumentieren, wie die Hygiene nach und nach verbessert werden konnte. Ihr Erfolg überzeugte schließlich auch den englischen Hof. Sie reformierte das Gesundheitswesen in Großbritannien und den indischen Kolonien und wurde 90 Jahre alt.
Kaiserswerth ist nicht nur einen Besuch wert, es atmet Geschichte, Tradition und Ewigkeit.