Rechts­an­walt Die­ter Han­schel, ehe­ma­li­ger Pflicht­ver­tei­di­ger im Düs­sel­dor­fer Maj­da­n­ek­pro­zess Foto: LOKALBÜRO

 

Die­ses Jahr jährt sich am 30. Juni zum 40. Mal die Urteils­ver­kün­dung im drit­ten Maj­da­nek-Pro­zess in Düs­sel­dorf. Eine Auf­takt­ver­an­stal­tung an die­sem Tag hebt die Bedeu­tung die­ses his­to­ri­schen Ereig­nis­ses — ein Gerichts­ver­fah­ren, das über fünf Jahre lang die Men­schen auf­wühlte und von zahl­rei­chen Pro­tes­ten beglei­tet wurde -, hervor.

Was damals geschah

Nach Pro­zes­sen in Lub­lin (1944) durch eine pol­nisch-sowje­ti­sche Kom­mis­sion und 1946 bis 1948, eben­falls in Lub­lin, wur­den 1975 vor dem Düs­sel­dor­fer Land­ge­richt zehn Ange­hö­rige der Wach­mann­schaft (sechs SS-Ange­hö­rige und vier Auf­se­he­rin­nen) des Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Lub­lin-Maj­da­nek wegen Mor­des und Bei­hilfe zum Mord ange­klagt. Gegen wei­tere sie­ben Per­so­nen (sechs SS-Ange­hö­rige und eine Auf­se­he­rin) lie­fen die Ermitt­lun­gen wei­ter. Auch gegen sie konnte Anklage erho­ben wer­den. Gegen­stand der Kla­ge­schrift waren sowohl die in Maj­da­nek gemein­schaft­lich began­ge­nen Mas­sen­ver­bre­chen als auch zahl­rei­che Einzeltaten.

Das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Majdanek

Das deut­sche Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger nahe Lub­lin in Polen wurde 1941 als Zwangs­ar­beits­la­ger für sowje­ti­sche Kriegs­ge­fan­gene errich­tet. Ab Herbst 1942 diente es als Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger für unge­fähr 60.000 Juden und Jüdin­nen aus ver­schie­de­nen Län­dern Euro­pas. Ins­ge­samt star­ben hier etwa 80.000 Men­schen. Allein am 3. Novem­ber 1943 wur­den im Rah­men der soge­nann­ten „Aktion Ern­te­fest“ inner­halb eines Tages min­des­tens 17.000 jüdi­sche Häft­linge erschos­sen. Am 23. Juli 1944 wurde das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger von sowje­ti­schen Sol­da­ten befreit.

Der Pro­zess in Düsseldorf

Es war das längste und auf­wen­digste Straf­ver­fah­ren in der Geschichte der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Ange­setzt war ein Jahr, tat­säch­lich zog sich das Ver­fah­ren über fünf Jahre hin. Das Gericht unter­nahm fast 25 Aus­land­rei­sen, arbei­tete sich durch 20.000 Sei­ten Vor­ver­neh­mungs­ak­ten und hörte rund 350 Zeu­gen, dar­un­ter auch 215 ehe­ma­lige Häft­linge, die noch ein­mal die schreck­li­chen Erleb­nisse ihrer KZ-Haft durch­le­ben muss­ten. Viele bra­chen bei der Schil­de­rung ihrer Erleb­nisse in Trä­nen aus oder erlit­ten Nervenzusammenbrüche.

Meh­rere Ver­tei­di­ger zöger­ten das Ver­fah­ren mit zahl­rei­chen Anfra­gen und Anträ­gen her­aus. So wurde einem Sach­ver­stän­di­gen man­gelnde Distanz zur Mate­rie von zwei Anwäl­ten vor­ge­wor­fen, weil er bei einem jüdi­schen Wis­sen­schaft­ler stu­diert hatte. Ein ande­rer Ver­tei­di­ger bean­tragte Haft­be­fehl gegen eine Zeu­gin, die die Kanis­ter mit Zyklon B zu den Gas­kam­mern tra­gen musste. Sie müsse dann doch auch der Bei­hilfe zum Mord ange­klagt wer­den, argu­men­tierte er. Spä­ter legte der Ver­tei­di­ger sein Man­dat nie­der, da angeb­lich eine Ruf­mord­kam­pa­gne gegen ihn laufe.

Die Urteile

Im Laufe des Ver­fah­rens schie­den zwei Ange­klagte wegen Ver­hand­lungs­un­fä­hig­keit aus, eine Ange­klagte starb und ein SS-Unter­schar­füh­rer wurde außer Straf­ver­fol­gung gesetzt.

Die rest­li­chen Ange­klag­ten kamen mit ver­gleichs­weise mil­den Urtei­len davon. Denn trotz der vie­len Zeu­gen­aus­sa­gen waren die Morde nur sehr schwer ein­zel­nen Ange­klag­ten zuzu­ord­nen. Vier Ange­klagte wur­den 1979 auf Antrag der Staats­an­walt­schaft freigesprochen.

Am 30. Juni 1981 wurde nach einer Pro­zess­dauer von fünf Jah­ren und sie­ben Mona­ten mit 474 Ver­hand­lungs­ta­gen die Urteile gespro­chen. Die Ver­kün­dung sel­ber dau­erte zehn­ein­halb Stunden.

Dabei wurde eine wei­tere Per­son frei­ge­spro­chen. Gegen acht Ange­klagte ver­häng­ten die Rich­ter Frei­heitstra­fen zwi­schen drei und zwölf Jah­ren wegen Bei­hilfe zum Mord. Nur eine Ange­klagte, Her­mine Ryan-Braun­stei­ner, erhielt wegen gemein­schaft­li­chen Mor­des eine lebens­lange Haft­strafe. Ryan-Braun­stei­ner wurde 1996 begnadigt.

Pro­teste

Es gab hef­tige Kri­tik gegen die Urteile. Der Pro­zess und die Urteils­ver­kün­dung wur­den wäh­rend der Dauer der Ver­hand­lun­gen und danach von zahl­rei­chen Pro­tes­ten und Demons­tra­tio­nen begleitet.

Die Staats­an­walt­schaft räumte einer Neu­auf­lage des Ver­fah­rens kaum Chan­cen ein. Die Revi­si­ons­an­träge der Ange­klag­ten wur­den zurück­ge­wie­sen. Die Urteile wur­den somit rechtskräftig.