Impuls­ge­ber und Dis­ku­tan­ten (v.l.): Ricardo Fer­reira, Bet­tina Haase, Dr. Gerd-Ulrich Kapt­eina, Susanna Schön­rock-Klen­ner, Mar­tin Har­ter, Ernst Uhing, Fried­rike Proff, Cor­ne­lia Zuschke, Mar­kus Grei­temann, Diane Jägers, Frauke Burg­dorff, Nadine Weber,©Architektenkammer NRW, Ingo Lammert

 

Reger Aus­tausch, wie die Zusam­men­ar­beit opti­miert wer­den kann

Mehr als 100 Kam­mer­mit­glie­der und Ver­tre­ter der Bau­auf­sichts­be­hör­den von Düs­sel­dorf, Köln, Essen und Aachen haben sich zu einem Aus­tausch “Archi­tek­ten­schaft trifft Bau­auf­sicht” getrof­fen. In Impul­sen und Arbeits­grup­pen wurde dis­ku­tiert, wie die Zusam­men­ar­beit zwi­schen Archi­tek­tur­bü­ros und Bau­ge­neh­mi­gungs­be­hör­den in NRW ver­bes­sert wer­den kann.

“Es geht heute nicht darum, sich gegen­sei­tig den Schwar­zen Peter zuzu­schie­ben”, sagte die Mode­ra­to­rin der Ver­an­stal­tung, Susanna Schön­rock-Klen­ner von Senior Con­cept, augen­zwin­kernd zur Ein­füh­rung. Ziel sei es viel­mehr, anhand des Abglei­ches von Erfah­run­gen und Erwar­tun­gen sowie von Best-Prac­tice-Bei­spie­len daran zu arbei­ten, die Abstim­mung und Koope­ra­tion zu verbessern.

Cor­ne­lia Zuschke, Bei­geord­nete der Lan­des­haupt­stadt Düs­sel­dorf, hatte die Ver­an­stal­tung mit ange­regt auf Basis von Gesprä­chen, die sie in der Lan­des­haupt­stadt bereits mit Archi­tek­tin­nen und Archi­tek­ten geführt hatte. “Wir sind die bei­den Sei­ten der Medaille – kei­ner von uns kann ohne den ande­ren erfolg­reich pla­nen und bauen”, betonte sie. Außer­dem hatte die Düs­sel­dor­fer Bei­geord­nete über den Städ­te­tag NRW und Deutsch­land ange­regt, stadt­über­grei­fend in den Dia­log mit den Pla­ne­rin­nen und Pla­nern zu gehen und kon­kret auf Novel­lie­run­gen, Pro­bleme, Her­aus­for­de­run­gen und adäquate Kom­mu­ni­ka­tion zu schauen. Die Bau­auf­sich­ten am Ende der Geneh­mi­gungs­kette seien immer wie­der im Fokus der Kri­tik und sicher sei, “da ist noch Luft nach oben, sel­ber man­ches bes­ser zu machen, zu mode­rie­ren, ver­bind­li­cher und bere­chen­ba­rer zu sein”, sagte Zuschke, aber alle Betei­lig­ten am Geneh­mi­gungs­pro­zess, wie Archi­tek­ten und Inves­to­ren, müss­ten auch ihren Rol­len gerecht wer­den, bes­ser und wert­schät­zen­der zusam­men­ar­bei­ten, um Hür­den, die sich immer häu­fi­ger erge­ben, bes­ser und vor allem gemein­sam durch die jewei­lige Kom­pe­tenz und Kennt­nis zu überwinden.

Aachens Bau­de­zer­nen­tin Frauke Burg­dorff betonte, dass die Bau­be­hör­den “Teil von Wert­schöp­fung sind, nicht Teil von Ver­hin­de­rung”. Die Digi­ta­li­sie­rung sei wich­tig, aber nicht per se die Pro­blem­lö­sung. “Wir haben in die­ser Auf­gabe noch einen Weg zu gehen. Aktu­ell kommt die Digi­ta­li­sie­rung on top zu der Arbeit, die wir sowieso zu erle­di­gen haben.” Frauke Burg­dorff warb dafür, die Bau­auf­sich­ten zu stär­ken, damit die freien Archi­tek­tin­nen und Archi­tek­ten kom­pe­tente und enga­gierte Part­ner auf der ande­ren Seite des Schreib­tischs fän­den. Burg­dorff wies dar­auf hin, dass das Bau­an­trags­ver­fah­ren zwar ein ent­schei­den­der Fak­tor inner­halb jedes Bau­pro­zes­ses sei, aber in der Bran­che kaum wert­ge­schätzt werde.

Grund­lage für die gegen­sei­tige Wert­schät­zung sei eine part­ner­schaft­li­che Kom­mu­ni­ka­tion, meinte Ricardo Fer­reira, Archi­tekt aus Meer­busch. “Wir bräuch­ten mehr Zeit für das fach­li­che Gespräch, damit wir gemein­sam auch krea­tive Lösun­gen fin­den können.”

“Wenn man in der Bau­auf­sicht seine Arbeit gut macht, merkt es kei­ner”, sagte auch Mar­tin Har­ter, Bau­de­zer­nent der Stadt Essen. Ein Haupt­pro­blem sei der Per­so­nal­man­gel. “Dar­aus resul­tiert die Erwar­tungs­hal­tung der Poli­tik, dass wir ein­fach Bau­an­träge mög­lichst schnell durch­lau­fen las­sen.” Wie seine Kol­le­gin­nen warb auch Mar­tin Har­ter dafür, dass die Bau­auf­sich­ten in den jewei­li­gen Stadt­ver­wal­tun­gen selbst­be­wuss­ter auftreten.

Mar­kus Grei­temann, Bei­geord­ne­ter der Stadt Köln, sah als Her­aus­for­de­rung, den Dia­log mit den Archi­tek­ten und den Bür­gern der Stadt wie­der ver­stärkt zu suchen. Zudem wolle er die Digi­ta­li­sie­rung vor­an­trei­ben. “Wir haben bis­lang erst 36 digi­tale Bau­an­träge bekom­men. Erst mal läuft es lang­sa­mer, weil beide Sei­ten erst an die neuen Abläufe her­an­ge­führt wer­den müs­sen”, erläu­terte er. “Wir haben einen Dia­log­pro­zess mit der Köl­ner Archi­tek­ten­schaft gestar­tet, um uns bes­ser abzustimmen.”

Einig waren sich die Bau­de­zer­net­in­nen und Bau­de­zer­nen­ten, dass das Fach­per­so­nal der Bau­auf­sicht ange­mes­sen bezahlt wer­den müsse. “Las­sen Sie uns – in den gro­ßen Städ­ten unse­res Bun­des­lan­des – gemein­sam dar­auf hin­wir­ken, dass die Ein­grup­pie­rung unse­rer Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ange­mes­se­ner wird”, warb Mar­kus Grei­temann. Ein gemein­sa­mes Anlie­gen war dar­über hin­aus eine höhere “Dau­er­haf­tig­keit der Landesbauordnung.”

Ein Wunsch, durch den sich Diane Jägers in die “Höhle der Löwen” ver­setzt sah. Die Lei­te­rin der Abtei­lung “Bauen” im NRW-Minis­te­rium für Hei­mat, Kom­mu­na­les, Bau und Digi­ta­li­sie­rung erläu­terte, dass die Novel­lie­rung der Lan­des­bau­ord­nung gegen­wär­tig im Land­tag bera­ten werde und nach dem Wunsch von Minis­te­rin Ina Schar­ren­bach am 1. Januar 2024 in Kraft tre­ten solle. “Die Lan­des­bau­ord­nung unter­liegt einem stän­di­gen Revi­si­ons­pro­zess”, erklärte Diane Jägers. Die For­de­run­gen zur ener­ge­ti­schen Erneue­rung übten auf alle Regu­lie­run­gen einen enor­men Druck aus.

Über die “Rah­men­be­din­gun­gen des Bau­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens” sprach Dr. Gerd-Ulrich Kapt­eina, der eine “dra­ma­ti­sche Zuspit­zung” der Span­nun­gen zwi­schen Bau­wil­li­gen und Bau­be­hör­den fest­stellte. Das Ver­ständ­nis­de­fi­zit resul­tiere häu­fig dar­aus, dass die Bau­be­hör­den “durch das Land hin­weg dras­tisch per­so­nell unter­be­setzt sind”, erläu­terte Dr. Kapt­eina. Ein wei­te­res Pro­blem sei die über­zo­gene Rege­lungs­dichte in Deutsch­land, die nach sei­ner Beob­ach­tung dazu führe, dass Inves­to­ren in andere Län­der abwan­dern. Der ehe­ma­lige Rich­ter warb für mehr Ver­läss­lich­keit in der Gesetz­ge­bung – und für eine Kon­zen­tra­tion des Gesetz­ge­bers auf die Kern­auf­gabe “Gefah­ren­ab­wehr” im Bau­recht. Er appel­lierte an die Bau­ver­wal­tun­gen: “Im Zwei­fel für die Bau­frei­heit ent­schei­den!” Hilf­reich seien auch infor­melle Abstim­mungs­ge­sprä­che “bei hin­rei­chen­der Exper­tise auf bei­den Sei­ten” und ein spe­zi­fi­sches Kon­flikt­ma­nage­ment für Beschwerdeeingänge.

Die Sicht der Archi­tek­ten­schaft wurde durch Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter des Berufs­tan­des vor­ge­tra­gen. “Schatz wir müs­sen reden”, lau­tete die Auf­for­de­rung von Nadine Weber. Die Archi­tek­tin aus dem Kreis Soest stellte klar, dass auch in der Bezie­hung zwi­schen Bau­auf­sich­ten und Archi­tek­ten­schaft der Ton die Musik mache.

Archi­tek­tin Bet­tina Haase plä­dierte für die Bau­wende. “Nutzt den Bestand und macht Umnut­zun­gen, Auf­sto­ckun­gen und Erwei­te­run­gen ein­fa­cher”, appel­lierte sie an die Bau­auf­sich­ten und die Gesetzgeber.

Dazu könne auch die wei­tere Digi­ta­li­sie­rung der Bau­ver­wal­tung bei­tra­gen, sagte Archi­tekt Ricardo Fer­reira. Er mahnte ein­heit­li­che Stan­dards an, um die Pro­zess­ab­wick­lung digi­tal wei­ter zu ver­ein­fa­chen und zu beschleunigen.

“Is Time Money?”, fragte die Düs­sel­dor­fer Archi­tek­tin Frie­de­rike Proff, die auch Mit­glied im Vor­stand der Archi­tek­ten­kam­mer NRW ist. Sie beant­wor­tete ihre Frage posi­tiv, indem sie die wirt­schaft­li­chen Fol­gen lang­wie­ri­ger und auf­wen­di­ger Ver­fah­ren schilderte.

Auch sei­tens der Bau­auf­sicht wurde in Dis­kus­si­ons­fo­ren prak­ti­sche Erfah­run­gen geschil­dert. Ulrike Lap­pe­ßen, Amts­lei­tung der Bau­auf­sicht Stadt Düs­sel­dorf, reagierte auf den Wunsch der Archi­tek­ten­schaft, man­gel­hafte Unter­la­gen nicht nur mit der Bau-Prüf-Ver­ord­nung zu begrün­den, son­dern auch die Rele­vanz für das jewei­lige Bau­vor­ha­ben zu benen­nen. Mar­tina Ste­fens, Amts­lei­te­rin der Bau­auf­sicht Essen, erläu­terte den in Essen mög­li­chen Ablauf der digi­ta­len Antrags­ein­rei­chung. Ihrer Mei­nung nach sollte eine digi­tale Ein­rei­chung von Bau­an­trä­gen in allen Bau­auf­sichts­be­hör­den auf­ge­baut wer­den. Ste­fan Kriege, Amts­lei­ter der Bau­auf­sicht Köln, berich­tete aus der Pra­xis über die pro­zess­ori­en­tierte und trans­pa­rente Auf­bau­or­ga­ni­sa­tion der Genehmigungsverfahren.

Im Anschluss an die Impuls­vor­träge fand eine Grup­pen­ar­beit im Rah­men eines so genann­ten Welt Café statt. Die Teil­neh­men­den hat­ten dabei die Gele­gen­heit, sich in vier Grup­pen zu den The­men “Trans­pa­renz und Kom­mu­ni­ka­tion im Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren”, “Bauen im Bestand”, “Digi­ta­li­sie­rung” und “Voll­stän­dig­keit von Bau­an­trä­gen, Ablauf des Geneh­mi­gungs­ver­fah­rens und häu­fige Fall­stri­cke” aus­zu­tau­schen. Dabei wur­den neben bestehen­den Her­aus­for­de­run­gen auch mög­li­che Ver­bes­se­rungs­po­ten­tiale dis­ku­tiert. Die Ergeb­nisse der Grup­pen­ar­beit wur­den am Ende der Kon­fe­renz im abschlie­ßen­den Ple­num prä­sen­tiert, wobei deut­lich wurde, dass auch zukünf­tig zu allen behan­del­ten The­men ein fort­lau­fen­der, akti­ver Aus­tausch sinn­voll und erfor­der­lich ist. So zeig­ten sich die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer in der Abschluss­dis­kus­sion einig, dass Kom­mu­ni­ka­tion und ein respekt­vol­les Mit­ein­an­der der Schlüs­sel zu einer ver­bes­ser­ten Zusam­men­ar­beit seien. Die Ver­an­stal­tung “Archi­tek­ten­schaft trifft Bau­auf­sicht” war ein ers­ter und wich­ti­ger Impuls. Sei­tens der Pla­nen­den wurde auf­grund der regen Nach­frage und des kon­struk­ti­ven Aus­tauschs eine Fort­set­zung gewünscht.