Ein Nach­ruf  von Gabriele Schreckenberg

Es gibt Nach­rich­ten, die mir zu Her­zen gehen. Eine davon war die vom Tod der Grä­fin von Spee, die am 27. April im 94. Lebens­jahr ver­stor­ben ist. Nun lasse ich ein­mal meine jour­na­lis­tisch antrai­nierte Distanz außen vor und erin­nere mich an eine Dame, die ich seit den 60-er Jah­ren kannte.

Das hat einen ein­fa­chen Grund. Oder gleich meh­rere.  Mein Groß­va­ter, Ober­förs­ter im Dienst von Wil­de­rich Graf von Spee, hatte schon Ende der 50-er Jahre des vor­he­ri­gen Jahr­hun­derts die Hunde des Gra­fen zur Jagd abge­rich­tet. Und war somit oft im Schloss Hel­torf vor Ort. Da Wil­de­rich Graf von Spee keine eige­nen Kin­der hatte, weil sein ein­zi­ger Sohn im Krieg geblie­ben ist, ging die Erb­folge wei­ter an sei­nen Nef­fen. Das war Maxi­mi­lian Graf von Spee, gebo­ren 1928.

 

Als Maxi­mi­lian Graf von Spee mit sei­ner Ehe­frau Maria The­re­sia Grä­fin von Spee 1967 in das Schloss Hel­torf in Anger­mund ein­zog, besuchte ihr ältes­ter Sohn Wil­helm Graf von Spee mit mei­ner jüngs­ten Schwes­ter die Gemein­schafts­grund­schule Fried­rich-von-Spee in Anger­mund. Die bei­den waren die Jüngs­ten des Jahr­gangs und dadurch ein wenig verbunden.

Die Fami­lie hatte sie­ben Kin­der, alle Töch­ter besuch­ten das Erz­bi­schöf­li­che Suit­ber­tus-Gym­na­sium in Kai­sers­werth, auf das auch ich ging.

Ich erin­nere mich an Mäd­chen, die wie wir mit dem Bus fuh­ren, gut ange­zo­gen waren und ein­fach tadel­lose Manie­ren hat­ten.  Und beschei­den waren. Wie wir ande­ren knapp 400 Ele­vin­nen auch, denn die Schule war streng, die Ord­nung katho­lisch.  Regel­mä­ßige Mes­sen und Exer­zi­tien gehör­ten zu unse­rem Schul­all­tag dazu. Was uns gut tat und auch mit­ein­an­der ver­bün­det hat.

Kind­heit in Angermund

Meine Kind­heit ver­brachte ich in Anger­mund. Die Fami­lie von Spee gehörte selbst­ver­ständ­lich ins Orts­bild. Bei den Schüt­zen­fes­ten der St. Sebas­tia­nus Bru­der­schaft Anger­mund waren sie gern gese­hen und hoch geschätzte Gäste. Für die Rosen­stadt Anger­mund haben sie viel getan, für die Bru­der­schaft, für die Senio­ren­stif­tung, für alle Kul­tur­ein­rich­tun­gen vor Ort. „Für Glaube, Sitte, Hei­mat“, das Motto der Bru­der­schaf­ten, war ihre gelebte Richt­schnur. Alle ihre sie­ben Kin­der sind im Schloss aufgewachsen.

Als Maxi­mi­lian Graf von Spee 2009 ver­stor­ben ist, war ich bei der Trau­er­feier im Schlos­sin­nen­hof dabei. Als Zaungast.

Etwa 500 andere Men­schen auch, die zur weit­läu­fi­gen Fami­lie zäh­len. Nie zuvor habe ich so viele gut geklei­dete Damen und Her­ren gese­hen. Und doch war es in die­sem Sep­tem­ber so heiß, dass ich bemerkte, wie einige Damen nach vie­len Stun­den heim­lich die Schuhe abstreif­ten und sich ein wenig ausruhten.

In den Jah­ren zuvor, als Maxi­mi­lian Graf von Spee erkrankt war, fuhr seine Ehe­frau ihn täg­lich im Roll­stuhl spa­zie­ren. Ziel war oft der Bro­cker­hof,  ein Rei­ter­hof an der Grenze zwi­schen Anger­mund und Rahm, wo sie vor den üppi­gen Wie­sen ste­hen blie­ben und sich gemein­sam die Pferde ansa­hen und ange­regt unter­hiel­ten. Wenn es kühl war, hatte ihr Ehe­mann eine karierte Woll­de­cke um die Beine. Das alles sah nach sehr viel Liebe und Respekt aus.

Gern gese­hen in Angermund

Einige Zeit spä­ter nach dem Tod ihres Ehe­man­nes zog Maria The­re­sia von Anger­mund nach Düs­sel­dorf. Wie es die Tra­di­tion der gräf­li­chen Fami­lie vor­sieht, bezieht anschlie­ßend der älteste Sohn der Fami­lie das Schloss.  So war es. Wil­helm Graf von Spee und Lor­raine Grä­fin von Spee leben seit­dem mit ihren fünf Kin­dern im Hel­tor­fer Schloss.

In den kom­men­den Jah­ren sahen die Anger­mun­der ihre hoch­ge­schätzte Grä­fin bei vie­len Anläs­sen in der Rosen­stadt. Sie war dem Som­mer ‑und Win­ter­brauch­tum zuge­tan, mochte die Men­schen, war immer ansprech­bar und berei­cherte jedes Fest.

Die Fülle ihrer Eigen­schaf­ten zu beschrei­ben, ist sicher her­aus­for­dernd. Und steht mir letzt­lich nicht zu.

Ich wage es trotz­dem. Sie war eine Dame von Kopf bis Fuß und vor allem im Her­zen. Sie war nah­bar. Die gebür­tige Öster­rei­che­rin hatte ein schö­nes Lächeln. Sie war Mut­ter von sie­ben Kin­dern und zahl­rei­chen Enkel­kin­dern und Uren­keln. Sie war Ehe­frau. Sie war Schloss­her­rin und machte es sich zur Auf­gabe, das Schloss nach und nach lie­be­voll zu restau­rie­ren und ver­stand es, alte Möbel, Bil­der und Inven­tar mit moder­nem Kom­fort zu ver­bin­den. Ihr Ehe­mann hatte ein­mal zuge­ge­ben, dass es in einer Villa beque­mer gewe­sen wäre als in einem Pri­vat­schloss. Doch Maria The­re­sia Grä­fin von Spee hatte vor ihrer Ehe­schlie­ßung drei Jahre in der Pina­ko­thek in Mün­chen als aus­ge­bil­dete Bil­der­re­stau­ra­to­rin gear­bei­tet und hatte einen exzel­len­ten Geschmack.

Ihre wohl wich­tigste Eigen­schaft: Sie war beschei­den. Sie hatte Boden­haf­tung. Und viel Lebenserfahrung.

Am 27. April ist Maria The­re­sia Grä­fin von Spee im 94. Lebens­jahr ver­stor­ben. Bei der Trau­er­feier am 11. Mai war die Rosen­stadt voll mit Men­schen, die ihrer gedach­ten. Und das Hel­tor­fer Schloss war erneut das Ziel von hun­der­ten von Gäs­ten. Was bleibt, ist viel mehr als nur die Erin­ne­rung an eine große Dame.

Fotos: Gisela Wiemer
Fotos: Gisela Wiemer
Fotos: Gisela Wiemer