Der spannende Augenblick, wenn die Mottowagen am Rosenmontag ab 7 Uhr die Wagenbauhalle verließen. Die ganze Presse war versammelt, um den ersten Blick auf die Wagen zu erhaschen und live zu berichten.

Der span­nende Augen­blick, wenn die Mot­to­wa­gen am Rosen­mon­tag ab 7 Uhr die Wagen­bau­halle ver­lie­ßen. Die ganze Presse war ver­sam­melt, um den ers­ten Blick auf die Wagen zu erha­schen und live zu berich­ten © Lokalbüro

Von Man­fred Fammler

Was gab es frü­her für ein Bohei um Jac­ques Til­lys Rosen­mon­tags­wa­gen! Jeder wollte der Erste sein, der einen Blick auf die neu­es­ten Krea­tio­nen des Düs­sel­dor­fer Sati­ri­kers wer­fen durfte. Doch der Zutritt zur Wagen­bau­halle war – nach einem Geze­ter von Stadt­mut­ter und Stadt­va­ter – strengs­tens unter­sagt. Das war rich­tig. Schließ­lich glich der Rosen­mon­tag damit am Ende einem när­ri­schen Weih­nach­ten: Alle war­te­ten gespannt auf die Bescherung.

Als Autor war die Auf­re­gung für mich nicht so bedeu­tend. Die Zei­tung erschien am nächs­ten Tag – bis auf die hol­län­di­sche Aus­gabe, die erschien immer frü­her. Aber für die foto­gra­fie­ren­den Kol­le­gen war es selbst ohne das „Neu­land“ Inter­net hek­tisch. Das hat sich heute noch ver­stärkt. Kaum haben die Wagen das alte Rhein­bahn­de­pot ver­las­sen, gibt es die ers­ten Bil­der und Kom­men­tare im Netz.

Und nun die­ser Schock: Das Comité Düs­sel­dor­fer Car­ne­val ver­kauft Exklu­si­vi­tät an den WDR. Zwei geheime Mot­to­wa­gen sol­len vorab, also vor Rosen­mon­tag, live in der TV-Sit­zung des Düs­sel­dor­fer Kar­ne­vals gezeigt wer­den. Das ist völ­lig falsch!

Nur zur Info: Diese TV-Sen­dung wurde Anfang Januar auf­ge­zeich­net! Zu einem Zeit­punkt, als Donald Trump noch „Pre­si­dent elect“ war, die Kan­sas City Chiefs den Phil­adel­phia Eagles noch nicht die Flü­gel gestutzt hat­ten und die Bun­des­tags­wahl samt Ein­sturz der Brand­mauer zum Hal­lo­ween-Hor­ror zählte. Also zu einer Zeit, in der wir noch Hoff­nun­gen hat­ten – außer für die Chiefs.

Es ist der fal­sche Weg, auch wenn ich mich wie­der­hole. Für mich kommt diese Aktion einem Ver­rat an alle Düs­sel­dor­fer Jour­na­lis­ten gleich, die sich jahr­zehn­te­lang auf den Modus Ope­randi ein­ge­las­sen hat­ten: kein Ein­bruch, keine Spio­nage, kein auf die Ner­ven gehen, keine ver­steck­ten Kame­ras – und glau­ben Sie mir, es gab reich­lich Kol­le­gen, die gerne einen Vorab-Blick und eine Vorab-Ver­öf­fent­li­chung gehabt hät­ten. Doch mit die­ser Aktion bricht das Comité ein Com­mit­ment, ein Ladies- und Gen­tle­men-Agree­ment nicht per Dekret, son­dern durch sei­nen neuen Modus Operandi.

Doch las­sen Sie mich über die enge jour­na­lis­ti­sche Betrach­tung hin­aus­ge­hen. Die Geheim­hal­tung ist der Aus­gangs­punkt des Span­nungs­bo­gens des Düs­sel­dor­fer Rosen­mon­tags­zu­ges, der über die Stadt- und Lan­des­gren­zen hin­aus­strahlt und wofür er berühmt ist. Den Vor­hang zu einem fest­ge­leg­ten Zeit­punkt über­ra­schend zu lüf­ten – und damit die Erwar­tung des Publi­kums ent­we­der zu ent­täu­schen oder zu bestä­ti­gen – ist das sati­ri­sche Allein­stel­lungs­merk­mal des Rosen­mon­tags­zu­ges der Landeshauptstadt.

So stellt sich letzt­end­lich die Frage: Wem tut das CC damit einen Gefal­len? Das lineare Fern­se­hen ist eine Erfin­dung des 20. Jahr­hun­derts. Glaubt das CC allen Erns­tes, nur einen Zuschauer mehr am Rosen­mon­tag vor die Flim­mer­kiste (auch ich bin eine Erfin­dung des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts) zu locken? Oder war dies der Start­schuss für den Aus­ver­kauf des Kar­ne­vals, viel­leicht sogar für eine Ver­stei­ge­rung nach dem Motto: drei Wagen für den Preis von zwei?

Ich werde dies nicht ver­hin­dern kön­nen, aber ich werde es wei­ter beob­ach­ten und hof­fen, dass jeden­falls diese Brand­mauer wie­der auf­ge­baut wird.

Lokal­büro hat berichtet!