Auch die Louise-Dumont-Topas-Trägerin Nicole Heesters war zu Gast
Dauerausstellung im Hofgärtnerhaus eröffnet
Vor 75 Jahren, am 30. Mai 1947, hat der Regisseur und Theaterleiter Gustav Lindemann das Dumont-Lindemann-Archiv an die Landeshauptstadt übergeben und damit den Grundstein des heutigen Theatermuseums im Hofgärtnerhaus gelegt. Das in seiner Art weltweit einzigartige Dumont-Lindemann-Archiv dokumentiert das von Lindemann und der großen Schauspielerin Louise Dumont 1904 gegründete und 1933 geschlossene Reformtheater “Schauspielhaus Düsseldorf”. Das Theatermuseum feiert das Jubiläum mit zahlreichen Aktionen von einer neuen Dauerausstellung über ein neues App-Angebot bis hin zu Workshops. Den Auftakt machte am Mittwoch, 1. Juni, ein Festakt auf der Open-Air-Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses.
Dr. Sascha Förster, Leiter des Theatermuseums: “Mit dem 75-jährigen Jubiläum des Dumont-Lindemann-Archivs feiert die Landeshauptstadt das Jubiläum eines wahrlich bemerkenswerten Schatzes des frühen 20. Jahrhunderts. Denn die wunderbaren historischen Objekte im Bestand des Archivs – von Bühnen- und Kostümbildentwürfen bis hin zu Briefen und originalen Kalendern – erzählen nicht nur Düsseldorfer Theatergeschichte, sondern berichten von einer inspirierten Kulturgeschichte, die seit dem späten Kaiserreich die bestehende Kultur reformieren wollte.”
Bürgermeister Josef Hinkel und Ralph Zinnikus, kommissarischer Referatsleiter Theater & Tanz im Ministerium für Kultur und Wissenschaft, eröffneten den Abend mit Grußworten. Anschließend stellten Dr. Sascha Förster und Jubiläumskoordinator Philipp Hanke die Besonderheiten des Dumont-Lindemann-Archivs vor und nahmen das Publikum mit auf eine Zeitreise in das frühe 20. Jahrhundert. Philipp Hanke: “Die Besonderheit dieses einzigartigen Archivs zeichnet sich durch seine Geschlossenheit als Theaterarchiv aus. Das Reformprojekt des Schauspielhauses ist damit nicht nur lokal spezifisch, sondern lässt auch für die Theatergeschichte neue Erkenntnisse sowie Widersprüche zu.” Schauspielerin und Ensemble-Mitglied des Düsseldorfer Schauspielhauses sowie Mitbegründerin des “K*Werk” Hanna Werth performte den Text “Ursprache”, den Louise Dumont 1924 als Nachwort zu Felix Emmels Manifest “Das Ekstatische Theater” 1924 veröffentlichen ließ und in dem sie über die Bedeutung der Sprache für ein modernes Theater schrieb.
Als besonderen Gast durfte das Theatermuseum beim Festakt die Louise-Dumont-Topas-Trägerin Nicole Heesters begrüßen. Im Gespräch mit Dr. Sascha Förster thematisierte sie das künstlerische und soziale Erbe Louise Dumonts. Zudem bereiteten beide live auf der Bühne ein Rezept aus dem Kochbuch Louise Dumonts vor. Das Kochbuch “Für Zwei in einem Topf” verfasste Louise Dumont 1912 zusammen mit Emmy Rotth für die arbeitenden Frauen, die nur wenig Zeit und Geld für aufwendige Mahlzeiten hatten. Zum Festakt probierten sich Nicole Heesters und Dr. Sascha Förster am sogenannten “Holländischen Brötchen” aus, für das verschiedene Arten Brot mit viel Sahne übereinandergeschichtet werden.
Neue Dauerausstellung eröffnet Nach dem Ende des Festaktes ging es in das benachbarte Theatermuseum im Hofgärtnerhaus. Dort wurde die neue Dauerausstellung “1904 bis 1947: Wandel zwischen Aufbruch & Archiv” eröffnet. Mit dieser Ausstellung wendet sich das Museum wieder verstärkt dem Dumont-Lindemann-Archiv als seinem Kernbestand zu und betont die materiellen und kulturhistorischen Besonderheiten des Bestandes.
Neben einer beeindruckenden Materialvielfalt, für die 42 repräsentative Objekte zwischen Bühnenbildentwurf und Krankenattest in einem überdimensionalen Setzkasten angeordnet sind, stellt die Ausstellung neun Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter dieses modernen Reformprojekts vor: Darunter selbstverständlich Louise Dumont und Gustav Lindemann sowie Paul Henckels, Maria Thiele, Eduard Sturm und Salka Steuermann. Die Comic-Künstlerin Büke Schwarz hat exklusiv für die Ausstellung Illustrationen dieser Künstlerinnen und Künstler angefertigt.
Die Strahlkraft des Schauspielhauses Düsseldorf ging weit über das Rheinland hinaus und ist deshalb ein bedeutsames Beispiel für die Kulturgeschichte zum Aufbruch in die Moderne, wie sie aktuell unter dem Schlagwort der “Goldenen Zwanziger” gefeiert wird. Um sich dieser Bedeutung für künftige Forschung anzunähern nimmt die zur Ausstellung erscheinende Publikation eine titelgebende “Inventur eines Theaterarchivs” vor.
Hintergrund:
Louise Dumont und Gustav Lindemann Die 1862 geborene Louise Dumont entschied sich für die Theaterlaufbahn gegen den elterlichen Rat und machte in der deutschsprachigen Theaterlandschaft schnell Eindruck. Nach festen Engagements und europaweiten Tourneen mit ihren Paraderollen wurde sie Bestandteil von Gustav Lindemanns “Ibsen-Theater”. Gustav Lindemann, 1872 geboren, war zunächst Schauspieler, wurde aber bereits mit 28 Jahren Theaterdirektor. Weil er als Leiter verschiedener kleiner Theater mit den dort herrschenden institutionellen Abläufen jedoch unzufrieden war, gründete er sein eigenes Tourneetheater, aus dem sich das “Ibsen-Theater” entwickelte. Bereits beim “Ibsen-Theater” setzten sich Louise Dumont und Gustav Lindemann von den damals üblichen Produktionsroutinen des deutschsprachigen Theaters ab, woraus sich die Idee eines Reformtheaters entwickelte. Nachdem man sich zunächst auf Weimar fokussierte, entschieden sich Louise Dumont und Gustav Lindemann nach dem Engagement des damaligen Düsseldorfer Oberbürgermeisters Wilhelm Marx für die Gründung des Schauspielhauses am Rhein. Zwei Jahre nach der Eröffnung heirateten Louise Dumont und Gustav Lindemann 1907.
1932 verstarb Louise Dumont im Alter von 70 Jahren an einer Lungenentzündung. Gustav Lindemann wurde 1952 anlässlich seines 80. Geburtstags zum Ehrenbürger der Landeshauptstadt Düsseldorf ernannt und verstarb 1960. Das gemeinsame Grab wurde von Ernst Barlach gestaltet und befindet sich auf dem Nordfriedhof.
Das Reformtheater “Schauspielhaus Düsseldorf”
Das Schauspielhaus Düsseldorf wurde 1904 von Louise Dumont und Gustav Lindemann im Verbund mit rheinischen Industriellen gegründet und nach kurzer Bauzeit im Oktober 1905 eröffnet. Der von Bernhard Sehring entworfene Bau erschloss zusammen mit dem Stahlhof das ehemalige Kasernengelände. Das Schauspielhaus sollte ein Gegengewicht zum Stadttheater darstellen, denn Louise Dumont und Gustav Lindemann setzten sich für die Arbeit an neuen Inszenierungen für längere Probenzeiträume und insgesamt für weniger Neueinstudierungen ein. Im Zentrum der Inszenierungen sollten wieder die Dramen und ihre dichterische Qualität stehen. Gleichzeitig suchte man nach neuen szenischen Lösungen im Bühnen- und Kostümbild. Dafür arbeiteten Louise Dumont und Gustav Lindemann immer wieder mit jungen Absolventinnen und Absolventen der Düsseldorfer Hochschulen und Akademien zusammen. Den schauspielerischen Nachwuchs bildeten sie an einer eigenen Theater-Akademie, der späteren Hochschule für Bühnenkunst, aus. Zu diesen Schauspielschülerinnen und ‑schülern zählen unter anderem Gustaf Gründgens und Paul Henckels.
Das Dumont-Lindemann-Archiv
Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 musste Gustav Lindemann das Schauspielhaus an die Städtischen Bühnen verpachten. Als Jude durfte er nicht mehr in Deutschland arbeiten, das er allerdings auch nicht verließ. Dank des Schutzes einflussreicher Industrieller trug er im Stahlhof mit Unterstützung des Journalisten Adolf Zürndorfer, der 1942 im Ghetto in Łódź getötet wurde, die verbliebenen Dokumente und Materialien des Schauspielhauses als Dumont-Lindemann-Archiv zusammen. Am 30. Mai 1947 übergab Lindemann dieses Archiv der Landeshauptstadt Düsseldorf. In den 75 Jahren seines Bestehens entwickelte sich das Dumont-Lindemann-Archiv dank der Verdienste der verschiedenen Institutsleiter zum Theatermuseum weiter. Seit 1988 befindet sich das Theatermuseum und Dumont-Lindemann-Archiv im Hofgärtnerhaus; die Archivbestände sind größtenteils in der Merowingerstraße 88 untergebracht.