Das muss nicht sein! Im Bundesnaturschutz-Gesetz steht in § 39, dass Hecken und Bäume zum Brutschutz für Vögel vom 1. März bis 30. September nicht geschnitten werden dürfen. Wer’s doch tut, dem drohen bis zu 12.500 (!) Euro Bußgeld.
Umso mehr wundert’s, wenn in Neuss Gärtner-Kolonnen nach dem 1.3. durch Stadt ziehen. Bewaffnet mit Motorsensen und Sägen, verpassen sie dem Stadtgrün eine ordentliche Frisur.
Für sie gilt das Bundesnaturschutz-Gesetz also nicht? Das fragt sich derzeit auch eine verwirrte Amselfamilie, die in einem etwa 1,50 Meter hohen Busch auf dem Neuen Friedhof in Neuss Norf gebrütet hat. Auch dort sorgte der Trupp für Ordnung im Grün, viele ehemals mannshohe Büsche waren nicht wieder zu erkennen, kaum noch höher als 15 Zentimeter. Und auch das Heim der Amselfamilie hatte es erwischt: Statt der ehemals 1,50 Meter war ihr zu Hause noch knapp 60 Zentimeter hoch. Und das Nest der Familie samt geschlüpftem Nachwuchs verschwunden.
„Dürfen Sie, wofür jeder Gartenbesitzer zurecht bestraft wird?“ wollte Lokalbüro von der Stadt Neuss wissen. Beigeordneter Dr. Matthias Wellmann: „Natürlich nicht. Sowas ist nicht zulässig und ich bedaure diesen Vorfall sehr. Wir haben 40 Gärtner im Einsatz, die in der jetzigen Wachstumsphase mit Form- und Pflegeschnitten betraut sind. Ich habe alle gezielt unterwiesen, dass so etwas nicht passieren darf.“
Das Dilemma des Matthias Welpmann: Das Spannungsfeld zwischen Natur und Ordnung. Welpmann: „Wir haben im Jahr etwa 1000 Beschwerden. Und vielen Beschwerdeführern ist unser Grün zu unordentlich. Ich finde das schade.“
Deshalb bemüht sich der Beigeordnete nach Kräften, bei den Menschen um Verständnis für eine etwas strubbeligere Natur zu werben. Welpmann: „Mit Aufklärung und Informationen klappt das auch ganz gut. So haben wir zum Beispiel in einem Park eine Blumenwiese lange wachsen lassen. Und mit entsprechenden Schildern auf Sinn und Nutzwert für Insekten und andere Tiere hingewiesen. Klappt prima, die Wiese wurde kaum betreten.“
Lokalbüro findet: Schon beispielhaft, auch für andere Städte. Nach unserer Ansicht ist Dr. Welpmann auf dem richtigen Weg. Zwar zu spät für unsere Norfer Amselfamilie. Aber vielleicht dankt es ihm schon die nächste Amsel- Generation…