Dies ist eine November-Blues-Geschichte, wie sie anrührender kaum sein kann.
Sie handelt von Kyan van de Kuit, einem kleinen Jungen aus dem niederländischen Heerlen. Kyan war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Jetzt ist er tot.
Außergewöhnlich war auch sein Abschied. Eine Drive-in-Beisetzung. Typisch niederländisch, unverkrampft und unglaublich menschlich. Weil zu Corona-Zeiten nur wenige Freunde und Familienmitglieder zu einer „normalen“ Beerdigung hätten kommen können, suchten und fanden seine Eltern andere Wege. Sie mieteten das Veranstaltungsgelände „Megaland“.
Graue Wolken hängen über den Wiesen von Megaland, ein kühler Herbstwind fegt darüber hinweg. Freunde und Familie des kleinen Kyan kommen in 180 Autos, ein paar Dutzend Motorrädern, ja sie kommen sogar in Trucks. Zahllose Farbkleckse auf dem sonst so trostlosen Feld. Alle wollen sich von Kyan verabschieden.
Dem erstaunlichen und tapferen kleinen Jungen. Kyan litt unter einer Gen-Erkrankung, die sein Wachstum behinderte, seine Lunge schädigte. Im Labor in England, wo Kyans Blut getestet wurde, sagten sie, sie wüssten von drei Kindern weltweit, die ungefähr die gleiche Krankheit hätten wie er. “Kyans Körper war voller Fragezeichen”, sagte seine Mutter Mandy van de Kuit.
„Er wurde nur zwölf Jahre alt, aber er lebte das pralle Leben wie jemand von achtzig”, sagt Vater Bas van de Kuit. „Wir haben ihm alle Wünsche erfüllt”, erzählt Mandy. „Wenn Sie nicht wissen, wie viel Zeit Sie haben, verschieben Sie Pläne nicht auf nächste Woche. Wenn Kyan nach Efteling wollte, sind wir sozusagen gestern gegangen.“
Kyans große Leidenschaft war der Karneval. Nachdem er jahrelang gebettelt hatte, wurde er in der letzten Session der Kinderprinz des CV Molenberg. Papa Bas und Mama Mandy waren das Prinzenpaar, Kyan und seine Freundin Sanne wurden das überglückliche Junior-Prinzenpaar. Mandy: „Es ging oft bis spät in die Nacht — mit Volldampf. Manchmal gab es fünf Empfänge an einem Tag. Dann sind wir zwischendurch nach Hause gegangen, damit er sich erholen konnte.“
Nach Karneval verschlechterte sich Kyans Zustand rapide. Was er als Jugendprinz in der niederländischen Karnevalswelt entfesselt hatte, wurde da deutlich. Als klar war, dass er nur noch wenige Wochen zu leben hat, kamen Vertreter fast aller Karnevalsvereine aus Heerlen und Landgraaf zum Haus der Familie Van de Kuit. Eine letzte Ehrenparade.
Ihr kleiner Kyan wird auch ewig ihr Prinz bleiben. Denn er hat als Prinz nie abgedankt. Corona hat verhindert, dass in diesem Jahr Karneval gefeiert und ein neuer Kinderprinz gekrönt werden konnte.
Der ewige Prinz — ein Junge mit unbändigem Mut und Lebenswillen. So sagte er einmal: “Wenn ich sterbe, werde ich nicht wie Opa in den Himmel kommen, sondern hinter dem Regenbogen leben.“
Wenn wir einen sehen, denken wir an Dich, kleiner Kyan…
Text und Fotos: Günter Jungmann