Archiv­bild Innen­mi­nis­ter Her­bert Reul Foto: LOKALBÜRO

 

Innen­mi­nis­ter Her­bert Reul: 1.000 Jahre Erfahrung

23 ehe­ma­lige Poli­zei­be­amte und eine Poli­zei­be­am­tin küm­mern sich ab sofort um unge­klärte Mord- und Tötungs­de­likte aus den ver­gan­ge­nen 50 Jah­ren, soge­nannte Cold Cases. Am Mon­tag begrüßte Innen­mi­nis­ter Her­bert Reul die neuen Alt-Ermitt­ler im nord­rhein-west­fä­li­schen Lan­des­kri­mi­nal­amt (LKA). „Sie ver­sprü­hen einen unge­heu­ren Wil­len, die alten Fälle neu auf­zu­rol­len“, sagte Reul.

Die Ermitt­ler gehö­ren einer deutsch­land­weit ein­zig­ar­ti­gen Orga­ni­sa­ti­ons­ein­heit für Cold Cases an; mit ihr will das Innen­mi­nis­te­rium die Auf­ar­bei­tung unge­lös­ter Fälle sys­te­ma­ti­sie­ren, ver­bes­sern und beschleunigen.

Im Juli hatte das LKA begon­nen, nach pen­sio­nier­ten Poli­zis­ten zu suchen, um die Ermitt­lun­gen von unge­klär­ten Tötungs­de­lik­ten neu auf­zu­stel­len und in einer Beson­de­ren Auf­bau­or­ga­ni­sa­tion (BAO) zu bear­bei­ten. 24 der 28 Stel­len sind nun ver­ge­ben, die übri­gen vier wer­den bis zum 1. Dezem­ber 2021 besetzt. Bevor es an die Akten ging, hat­ten die Neu­linge eine vom LKA kon­zi­pierte Auf­fri­schungs­wo­che durch­lau­fen. In die­ser wur­den sie über neue Ermitt­lungs­me­tho­den unter­rich­tet und in die Bear­bei­tungs­struk­tur eingewiesen.

Die Ermitt­ler und die Ermitt­le­rin (erst seit 1982 ist die Poli­zei in allen Berei­chen für Frauen zugäng­lich) sind zwi­schen 62 und 65 Jahre alt und haben unter­schied­li­che Hin­ter­gründe. Unter ihnen sind ehe­ma­lige Todes­er­mitt­ler, Kom­mis­sa­ri­ats­lei­ter, Ver­miss­ten­sach­be­ar­bei­ter und Exper­ten aus der Kri­mi­nal­tech­nik. Reul: „Sie alle haben jahr­zehn­te­lange Erfah­rung. Rech­net man jeweils 40 Dienst­jahre mal bald 28 Ermitt­ler, dann kommt man auf mehr als 1000 Jahre Erfah­rung — das ist Wahn­sinn! Und genauso wich­tig ist: dass Sie bis in den letz­ten Zeh vol­ler Ermitt­ler­drang sind. Die Ener­gie, die ich hier heute spüre, haut mich wirk­lich um und ich bin zuver­sicht­lich, dass Sie die Fälle beherzt anpa­cken werden.“

Die Auf­ga­ben der neuen Alt-Ermitt­ler: sich einen Über­blick über den aktu­el­len Sach­stand ver­schaf­fen, Akten digi­ta­li­sie­ren, Asser­vate begut­ach­ten, Auf­klä­rungs­chan­cen erken­nen und Ermitt­lungs­kon­zepte erar­bei­ten. Sofern sich neue Ermitt­lungs­an­sätze erge­ben, über­nimmt die ört­lich zustän­dige Kri­mi­nal­po­li­zei die wei­tere Fall­be­ar­bei­tung und schließ­lich ent­schei­det die zustän­dige Staats­an­walt­schaft über die wei­te­ren Ermittlungen.

Innen­mi­nis­ter Reul: „Viel­leicht gibt es neue Erkennt­nisse oder neue Tech­ni­ken, viel­leicht auch neue Rechts­grund­la­gen, wes­halb es sich lohnt, einen Fall wie­der auf­zu­rol­len. Schließ­lich haben die Ange­hö­ri­gen ein Recht dar­auf, dass diese Fälle auf­ge­klärt wer­den, wenn es eine neue Spur gibt. Wir suchen neue Chan­cen, nicht alte Fehler.“

Auch der Chef des Lan­des­kri­mi­nal­amts, Ingo Wünsch, ist über­zeugt: „Diese ein­ma­lige Ermitt­lungs­gruppe hat die Zeit, sich inten­siv und aus­schließ­lich in die alten Fälle rein­zu­knien und damit unsere Mord­er­mitt­ler und Mord­er­mitt­le­rin­nen in den Poli­zei­be­hör­den zu unterstützen.“

Seit 2017 baut das LKA eine Daten­bank für unge­klärte Tötungs­de­likte auf. In diese Cold Cases-Daten­bank sol­len alle unge­lös­ten Tötungs­de­likte aus den ver­gan­ge­nen 50 Jah­ren auf­ge­nom­men wer­den; das sind seit 1970 ins­ge­samt 1.160 Fälle, die digi­tal erfasst und anschlie­ßend von Fall­ana­ly­ti­kern und den Cold Case-Ermitt­lern ana­ly­siert wer­den. Bis­lang wur­den 261 Fälle in die Daten­bank auf­ge­nom­men und 23 Fälle neu aufgerollt.

Erst Anfang Novem­ber konnte ein 30 Jahre alter Fall aus Bochum nach einer Ana­lyse von Fall­ana­ly­ti­kern des LKA und anschlie­ßen­den Ermitt­lun­gen der Kri­mi­nal­po­li­zei Bochum gelöst wer­den. Dank neuer kri­mi­nal­tech­ni­scher Mög­lich­kei­ten nahm die Poli­zei einen 55-jäh­ri­gen Tat­ver­däch­ti­gen wegen eines ver­such­ten Mor­des in einer Spiel­halle fest.