Prä­sen­tier­ten die Aus­stel­lung: (v. l.) Dr. Ute Chris­tina Koch, LWL-Muse­ums­amt, Sig­rid Klein­bon­gartz, Katha­rina Groll und Dr. Susanne Anna, Stadt­mu­seum, sowie Isa­belle Chris­tiani, LWL-Museumsamt,©Landeshauptstadt Düsseldorf/Melanie Zanin

 

 

LWL-Wan­der­aus­stel­lung zur Her­kunft von Objek­ten in nord­rhein-west­fä­li­schen Samm­lun­gen vom 9. Januar bis 6. März zu Gast im Stadt­mu­seum Düsseldorf

Das Stadt­mu­seum Düs­sel­dorf, Ber­ger Allee 2, prä­sen­tiert vom 9. Januar bis zum 6. März die Aus­stel­lung “Geschichte der Dinge. Zur Her­kunft von Objek­ten in nord­rhein-west­fä­li­schen Samm­lun­gen”. Thema der Wan­der­aus­stel­lung des Land­schafts­ver­ban­des West­fa­len-Lippe (LWL) ist die Pro­ve­ni­enz­for­schung, das Erfor­schen der Her­kunft und der Geschichte von Objek­ten. Die Schau bie­tet den Besu­che­rin­nen und Besu­chern Gele­gen­heit, die Pro­ve­ni­enz­for­schung in all ihren Aspek­ten ken­nen­zu­ler­nen. Zahl­rei­che nord­rhein-west­fä­li­sche Museen haben die Aus­stel­lung mit Leih­ga­ben unter­stützt, so auch das Stadt­mu­seum Düsseldorf.

Zur Aus­stel­lung
Der Fall Gur­litt, Bron­zen aus dem ehe­ma­li­gen König­reich Benin oder die Elgin Marbles von der Akro­po­lis – diese Auf­zäh­lung macht die Spann­breite aktu­el­ler Pro­ve­ni­enz­for­schung deut­lich. Wäh­rend bei vie­len Aus­stel­lun­gen zum Thema Pro­ve­ni­enz­for­schung meist nur ein Samm­lungs­be­reich, ein Samm­ler oder ein Museum im Fokus steht, wid­met sich die LWL-Aus­stel­lung erst­mals in Deutsch­land dem gesam­ten The­men­be­reich: Ins­ge­samt zehn Kapi­tel beschäf­ti­gen sich mit den unter­schied­li­chen Ent­zugs­kon­tex­ten wie zum Bei­spiel NS-ver­fol­gungs­be­ding­tem Ent­zug, Kolo­nia­lis­mus oder DDR-Unrecht, mit ver­schie­de­nen Objekt­grup­pen wie Judaika, aber auch mit Akteu­ren und Struk­tu­ren. Die zen­trale Frage lau­tet: Woher kommt das Objekt? Dabei kann die LWL-Aus­stel­lung mit 50 Leih­ga­ben nicht immer Ant­wor­ten oder kon­krete Lösun­gen prä­sen­tie­ren. Die Aus­stel­lungs­ob­jekte laden die Besu­che­rin­nen und Besu­cher dazu ein, sich selbst mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Anhand der Leih­ga­ben aus Nord­rhein-West­fa­len und dar­über hin­aus erzählt die Aus­stel­lung Lebens- und Erwerbs­ge­schich­ten, die schwie­rige Kapi­tel der deut­schen Geschichte berüh­ren. Die Aus­stel­lungs­vor­be­rei­tung selbst ist ein Bei­spiel dafür, wie die aktive Aus­ein­an­der­set­zung posi­tive Zei­chen set­zen kann: “Ange­sto­ßen durch eine Lei­han­frage von uns konnte die Her­kunft eines ritu­el­len jüdi­schen Seder­tel­lers im Hell­weg-Museum in Unna recher­chiert wer­den. Die kon­tak­tier­ten recht­mä­ßi­gen Eigen­tü­mer bestimm­ten schnell, dass er als Dau­er­leih­gabe im Museum ver­blei­ben soll”, erzählt Aus­stel­lungs­ku­ra­to­rin Ute Chris­tina Koch.

Nicht immer füh­ren Recher­chen jedoch so zuver­läs­sig zu einem Ergeb­nis. Eine schwarze Münz­kas­sette und die in ihr befind­li­chen Mün­zen, Medail­len und Pla­ket­ten wer­fen im Stadt­mu­seum Düs­sel­dorf viel­schich­tige Fra­gen zur Pro­ve­ni­enz auf. “Sil­ber­mün­zen aus jüdi­schem Besitz” wur­den 1939 als Zugang im Inven­tar­buch des Stadt­mu­se­ums Düs­sel­dorf ein­ge­tra­gen. Ein NS-ver­fol­gungs­be­ding­ter Ent­zug ist höchst wahr­schein­lich, doch weder las­sen sich die Mün­zen des Kon­vo­luts heute ein­deu­tig iden­ti­fi­zie­ren noch deren Vor­be­sit­zer fest­stel­len. “Die aus ver­schie­de­nen euro­päi­schen Staa­ten stam­men­den Mün­zen spiel­ten für das Samm­lungs­pro­fil des Stadt­mu­se­ums in der Ver­gan­gen­heit offen­sicht­lich keine Rolle. Daher wur­den sie bis in die 1990er-Jahre nur als Tausch­ob­jekte genutzt”, fasst die stell­ver­tre­tende Lei­te­rin des Stadt­mu­se­ums, Sig­rid Klein­bon­gartz, ihre For­schun­gen zusam­men. Heut­zu­tage wäre ein sol­cher Umgang undenk­bar. “Es bleibt die Hoff­nung, dass im Zuge wei­te­rer kri­ti­scher Prü­fun­gen mehr Licht in die­sen unge­wöhn­li­chen Fall gebracht wer­den kann.” Die Münz­kas­sette wird im Rah­men der LWL-Aus­stel­lung gezeigt.

Wei­tere Objekte der Aus­stel­lung ste­hen stell­ver­tre­tend für kri­tisch zu prü­fende Pro­ve­ni­en­zen. So stammt aus dem Museum Wilns­dorf (Kreis Sie­gen Witt­gen­stein) der Gedenk­kopf eines Oba, des poli­ti­schen und ritu­el­len Ober­haup­tes im König­reich Benin, mit einer aller­dings unbe­denk­li­chen Her­kunft. Die­ser wurde ver­mut­lich Mitte des 20. Jahr­hun­derts in Nige­ria hergestellt.

“Mit die­ser Aus­stel­lung wol­len wir die Besu­che­rin­nen und Besu­cher ermu­ti­gen, sich mit die­sem Thema, ob im eige­nen Lieb­lings­mu­seum oder zu Hause, aus­ein­an­der­zu­set­zen”, so Kura­to­rin Verena Bur­henne. “Gerade abseits der ‘gro­ßen Kunst’ über­sieht man schnell, dass auch hier ein ver­fol­gungs­be­ding­ter Ent­zug mög­lich ist”, ergänzt Kura­to­rin Dr. Ute Chris­tina Koch. “Uns war von Anfang an wich­tig, mög­lichst die ganze Band­breite dar­zu­stel­len, also ver­schie­dene Ent­zugs­kon­texte oder auch Objekt­grup­pen bis hin zu Alltagsgegenständen.”

In Ergän­zung zur Aus­stel­lung wird im Februar 2022 eine digi­tale Tagung des Land­schafts­ver­bands Rhein­land in Koope­ra­tion mit dem Stadt­mu­seum Düs­sel­dorf zu aktu­el­len The­men der Pro­ve­ni­enz­for­schung statt­fin­den. Infor­ma­tio­nen zur Ver­an­stal­tung sowie die Mög­lich­keit der Anmel­dung gibt es in Kürze auf der Web­site der LVR-Museumsberatung.

Beglei­tende App
Zur Aus­stel­lung ist eine App ver­füg­bar, mit der sich auch außer­halb der Museen Nähe­res zu allen The­men­be­rei­chen und Kapi­teln erfah­ren lässt. Die App stellt (fast) alle Objekte vor und ergänzt sie um beglei­tende Doku­mente wie Fotos und Briefe. Diese lie­fern wei­tere Hin­ter­gund­in­for­ma­tio­nen zu Her­kunft, Vor­be­sit­zern und den Wegen, die diese Expo­nate genom­men haben. Des Wei­te­ren stellt die App auch beglei­tende Hand­rei­chun­gen und Leit­fä­den zur Pro­ve­ni­enz­for­schung zur Ver­fü­gung. Ein Kata­log ver­tieft und erwei­tert die The­men­be­rei­che und zeigt aus­ge­wählte Aus­stel­lungs­ob­jekte. Die App ist für Android und iOS kom­pa­ti­bel und kann in den ent­spre­chen­den Stores kos­ten­los her­un­ter­ge­la­den wer­den. Der Kata­log zur Aus­stel­lung ist im Stadt­mu­seum zum Preis von 15,90 Euro erhältlich.

Aus­stel­lungs­kon­zep­tion
Die Wan­der­aus­stel­lung haben Ute Chris­tina Koch und Verena Bur­henne vom LWL-Muse­ums­amt für West­fa­len geplant und orga­ni­siert. Annika Flamm von der LVR-Muse­ums­be­ra­tung hat die Inhalte des Medi­en­ti­sches zu den Ber­gungs­or­ten in Nord­rhein-West­fa­len bei­gesteu­ert. Im Stadt­mu­seum Düs­sel­dorf steht die stell­ver­tre­tende Lei­te­rin Sig­rid Klein­bon­gartz als Ansprech­part­ne­rin zur Verfügung.

Pro­ve­ni­enz­for­schung im Stadt­mu­seum Düsseldorf
Die Pro­ve­ni­enz­for­schung gehört zu den grund­le­gen­den Muse­ums­auf­ga­ben, denen sich das Stadt­mu­seum Düs­sel­dorf aktu­ell in unter­schied­li­chen For­ma­ten annimmt. In Zusam­men­ar­beit mit der Stabs­stelle Pro­ve­ni­enz­for­schung führt das Museum einen Erst­check sei­ner Zugänge der Jahre 1933 bis 1945 durch. In der Son­der­aus­stel­lung “Ent­rech­tet und beraubt. Der Kunst­händ­ler Max Stern” (noch bis zum 30. Januar zu sehen) nimmt die Dar­stel­lung der Ergeb­nisse der Pro­ve­ni­enz­for­schung wie spe­zi­ell des NS-ver­fol­gungs­be­ding­ten Ent­zugs eine zen­trale Stelle ein. Die Abtei­lung Bil­dung bie­tet einen Work­shop zur Pro­ve­ni­enz­for­schung an, der Schü­le­rin­nen und Schü­ler wie Erwach­sene zur prak­ti­schen Arbeit einlädt.