Martin Krolzig ist eigentlich im Ruhestand und kümmert sich mittlerweile um eine andere Welt — die summende Welt der Bienen (www.terroirhonig.de). Lange Jahre wachte der evangelische Theologe als Landespolizeipfarrer über die Berufsethik bei der Polizei. Er trug Sorge, dass weder die Sitten noch die Sprache der Polizisten verrohen. Eine moralische Autorität, die immer unbequem war. Er hat er nie ein Blatt vor den Mund genommen. Er hat Fehler beim Namen genannt – bei der Polizei, aber auch bei ihren Kritikern. Oft öffentlich. In Broschüren, in Zeitschriften auch in BILD.
Jetzt meldet er sich wieder zu Wort. Im Lokalbüro. Ihm gingen die neuerlichen Streitereien um die Kölner Silvester-Ereignisse auf die Nerven. Nicht zuletzt, weil das Gezänk soweit ging, dass sogar die Wortwahl der Ordnungskräfte inzwischen Anlass zu Rassismus-Debatten bietet…
MeM, Zecken und Nafris
Von Martin Krolzig
»Bitte, was ist ein MeM? « So fragte einst der oberste NRW-Polizist bei einem Besuch der Düsseldorfer Einsatzleitzentrale. Gerade war über Funk die Meldung gekommen: »Wir haben einen MeM festgenommen«. Der Polizeichef erfuhr: Das ist ein Angehöriger der »mobilen ethnischen Minderheit«. Im Klartext: Ein Zigeuner. Jeder Polizist wusste, dass er den Begriff „Zigeuner“ niemals verwenden darf. Korrekt und offiziell hatte man zu sagen: Sinti und Roma. Doch über Funk durchzugeben, wir haben einen Angehörigen der Sinti und Roma festgenommen? Unmöglich und lächerlich. Plötzlich war die Abkürzung „MeM“ in aller Munde. Doch der Polizeiführer bekam kalte Füße und der Begriff wurde kurzerhand verboten.
Damals war ich neben anderen für die Berufsethik innerhalb der Polizei zuständig. Einen Akzent hatte ich stets auf die Sprache der Polizei im Allgemeinen wie die von einzelnen Polizisten und Gruppen gelegt. Also diskutierte ich im berufsethischen Unterricht die Frage, ob es gegen die Bezeichnung „MeM“ ethische Bedenken gibt.
Für mich verneine ich das bis heute. Der Begriff ist in meinen Augen neutral und provoziert keinerlei Gefühle – weder negative noch positive. Würde man den Schöpfer jener Abkürzung heute noch herausfinden können, ich würde ihn für eine Ordensverleihung vorschlagen.
»Pfarrer, wir müssen aufhören; wir müssen noch eine Razzia in einer Zeckenkneipe machen«. Die SEK Beamten verließen den Raum. Später nahm ich den Begriff auf. Ich machte den mir sympathischen Kollegen klar, was bei mir bei dem Begriff »Zecken« mitschwingt. Das musste ich gar nicht näher ausführen, denn das wussten sie selbst.
Wladimir Iljitsch Lenin — ergänzte ich — hatte die Feinde der Revolution als Schmeißfliegen und Ungeziefer bezeichnet. Das war kein Ausrutscher, denn damit wurden die Tötungshemmungen der Einsatzkräfte deutlich reduziert. Vergleichbar den Nazis, die die Juden als Ratten und Ungeziefer bezeichneten – um sie dann ohne schlechtes Gewissen zu vernichteten. Die perfide Auswirkung: Würde man mit ihnen nicht so verfahren, würde man selbst unverantwortlich handeln.
»Na, na, Pfarrer, da übertreibst du mal wieder«. Ich widersprach: Euch bezeichnet man als Bullen, wobei es sogar Polizisten geben soll, die das noch witzig finden. Doch wie geht man mit Bullen um? Ring durch die Nase, kurze Eisenstange und sollte sich der dennoch losreißen, hilft nur noch die Schusswaffe. Pause meinerseits: »Die Startbahn West in Frankfurt lässt grüßen«.
Und jetzt Nafri in Köln. Schade, dass der kluge Polizeipräsident bedauert hat, dass der Begriff den internen Polizeibereich verlassen hat. Warum eigentlich? Nafri weckt keinerlei negative Assoziationen, weder in den Köpfen von Polizisten noch im »polizeilichen Gegenüber«, also den Nordafrikanern. Höchstens in den Köpfen von Leuten mit einer ideologischen Brille auf der Nase, die noch dazu beschlagen ist. Polizeipräsident Jürgen Mathies hat einen hervorragenden Job in Köln gemacht. Er darf stolz auf seine Leute sein, auch was ihre Sprache anbelangt. Da gibt es nichts zu meckern.