459 Menschen erfasst, davon 239 Obdachlose
Erkenntnisse sollen in Weiterentwicklung des Hilfesystems eingehen
Die Ergebnisse einer Nachtzählung von Menschen mit Lebensmittelpunkt auf der Straße wurden am Dienstag, 23. August, im Ausschuss für Gesundheit und Soziales vorgestellt. Die Zählung sollte belastbarere und differenziertere Erkenntnisse über die Bedarfe erbringen, um das Hilfesystem weiterzuentwickeln. Bislang erhielten die seit 1994 stattfindenden Nachtzählungen nur quantitative Erhebungen. Nach einer Neukonzeption wurden jetzt erstmals auch qualitative Ergebnisse erhoben, die Aufschluss über Gründe der Wohnungslosigkeit, zur Alltagsstruktur oder zu Auswirkungen der Corona-Pandemie geben.
Bei der nächtlichen stadtweiten Zählung wurden im Oktober 2021 insgesamt 459 Menschen erfasst, davon 239 Menschen, die obdachlos schienen, 22 Menschen in Kliniken sowie 198 Menschen in Notschlafstellen. Demnach schlafen in Düsseldorf 239 Menschen auf der Straße und haben die Angebote des Hilfesystems zum Zeitpunkt der Zählung nicht wahrgenommen. Um diese Zahl zu erheben, wurden 179 Sozialräume von 70 Zählteams mit 141 Zählerinnen und Zählern begangen oder befahren.
Zudem wurden 2.241 Postadressen und 461 Menschen als Kontrollzahlen vom Jobcenter erfasst. Diese Menschen erhalten Leistungen nach SGB II, haben aber keinen festen Wohnsitz.
Ergebnisse der qualitativen Studie
Insgesamt 30 Menschen wurden mithilfe von leitfadengestützten Interviews befragt, um mehr Erkenntnisse zu Lebenslagen von Menschen zu erhalten, die in Düsseldorf wohnungslos sind. Thematisiert wurden unter anderem Gründe der Wohnungslosigkeit, Gesundheit und Krankheit oder die materielle Situation. Als Gründe für Wohnungslosigkeit wurden so unter anderem der Verlust von persönlichen und familiären Beziehungen und der Verlust der Arbeitsstelle genannt. Auch Räumungsklagen, psychische Krankheiten oder — spezifisch bei Frauen — Gewalt in der Beziehung oder Familie wurden genannt.
Aus den Ergebnissen der Studie konnten Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. So sollten beispielsweise Gesundheitsthemen in den Fokus gerückt und multimorbide Krankheiten berücksichtigt werden. Hilfeleistungen seien so zu gestalten, dass Betroffene diese annehmen. Die Angebote der Wohnungslosenhilfe sollten zudem nicht nur für, sondern auch mit den Menschen selbst weiterentwickelt werden.
“Die Ergebnisse der Studie sind aufschlussreich, um das Hilfesystem für Menschen mit Mittelpunkt auf der Straße anzupassen und weiter zu verbessern”, sagt Miriam Koch, Beigeordnete für Kultur und Integration. “Eine Empfehlung haben wir bereits umgesetzt: Als Konsequenz aus der Corona-Pandemie werden Menschen in Düsseldorfer Notschlafstellen mittlerweile nur noch in Einbett- und Zweibettzimmern untergebracht. Das ist ein neuer verbindlicher Standard, der von den Nutzerinnen und Nutzern sehr begrüßt wird.”
Ein Nebeneffekt der neuen Belegungsstruktur: Die Ein- beziehungsweise überwiegende Zweibettzimmerregelung hat die untergebrachten Menschen bislang weitgehend vor größeren Infektionsgeschehen bewahrt. Zudem beugt die geringere Belegungsdichte Konflikten vor. Die Menschen kommen eher zur Ruhe und lassen sich im Ergebnis besser auf Beratungsprozesse ein, um für sich neue Perspektiven zu entwickeln.
Hintergrund: Zählung
Die “franzfreunde” erhielten vor dem Hintergrund ihrer Zuständigkeit für die Streetworkkoordination den Auftrag zur Koordination der Nachtzählung. Die Düsseldorfer Professoren Dr. Reinhold Knopp und Dr. Anne van Rießen von der Hochschule Düsseldorf
wurden mit der wissenschaftlichen Begleitung beauftragt. Der Träger der Sozialhilfe soll gemäß Paragraf 4 SGB XII mit den Akteuren zusammenarbeiten, deren gesetzliche Aufgabe dem gleichen Ziel dient und hierzu Arbeitsgemeinschaften bilden. Das heißt, die Träger der Fachhilfe — “franzfreunde”, Diakonie, Caritasverband und SKM — bilden zu diesem Zweck gemeinsam mit dem Amt für Migration der Landeshauptstadt Düsseldorf die Fachbereichsrunde. Diese Fachbereichsrunde wird die Ergebnisse des Berichtes im weiteren Verlauf diskutieren und Handlungsempfehlungen ableiten.