Es ist nicht nur der Erfolg eines Einzelnen. Es ist der Erfolg einer Geisteshaltung. Denn dass Jacques Tillys „Wölki-Karnevals-Wagen“ zum Missbrauchs-Skandal in der katholischen Kirche jetzt im renommierten „Haus der Geschichte“, Bonn, steht, ist keine punktuelle Auszeichnung. Es ehrt auch die Vernunft, den gesunden Menschenverstand, die Aufklärung. Demokratie gegen Ideologien, stumpfe Traditionen und muffige Gewohnheiten.
Quatsch? Überbewertet? Mag sein.
Aber: Jacques Tilly ist bekannt für seine aktuelle Satire. Vor seinem scharfen Grips und bissigen Humor ist nichts und niemand sicher. Dabei oft vernachlässigt: die nachhaltige Satire. Dafür steht eben jener Wölki-Klammer-Wagen: Für Hartnäckigkeit, für Rückgrat, für Mut!
Wieso?
Weil seine Fehde über Fehlentwicklungen in der katholischen Kirche eine lange Tradition hat. Tilly: „Seit dem Skandal um den Kruzifix-Wagen sagen die Kirche und ich nicht Du zueinander.“
Das war 1996.
Was war passiert? Der Entwurf für einen Rosenmontags-Mottowagen “Karneval in Bayern” nahm die überzogene Reaktion der bayerischen Christen auf das Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (1995) aufs Korn. Da der Entwurf im Vorfeld in der Presse veröffentlicht wurde, traten die Düsseldorfer Kirchen eine heftige bundesweite Protestwelle los. Inquisition reloaded!
Über Wochen wurden Tilly und seine Künstlergruppe, auch Hermann Schmitz, damaliger Chef des Rosenmontags-Zochs, übelst beschimpft. „Verbieten, pervers, hoffentlich gibt es genug mutige Christen, die das verhindern“ — das sind noch die harmloseren der zahlreichen „christlichen“ Kommentare. Der damalige Pfarrer Leonhard Moll verstieg sich sogar dazu, kritische Künstler und Karnevalisten in die Nähe der Gaskammer-Faschisten zu rücken. Der „christliche“ Druck wuchs stetig, so dass auch die Geldgeber des Karnevals dem offenbar nachgegeben haben. Der Wagen wurde verboten.
Doch die Engstirnigen hatten die Rechnung ohne Tilly und Schmitz gemacht.
Kurzerhand verhüllten sie den umstrittenen Kruzifix-Wagen, schmuggelten den in den Zug.
Entsetzen bei den Funktionären und Kirchenfürsten, Begeisterung auf den Straßen, bei den Jecken. Die — Dank der öffentlichen Erregung — natürlich genau wußten, was unter den Hüllen steckte. „Toll, dass die den noch so mitgenommen haben.“ Oder: „Prima, das ist genau das, was wir brauchen.“
Die mächtige Kirche und ihre reichen Verbündeten, Muff und Zensur haben den langen Kampf verloren. Gegen Vernunft und Mut. Vor allem aber gegen Humor. Davon zeugt jetzt der Wölki-Klammerwagen. All das ist jetzt zu bestaunen — im „Haus der Geschichte“, Bonn.