Falsche Infos, falsche Fakten, falsche Zahlen – seit über sieben Jahren wird heftig um den Erhalt des in Europa einzigartigen Gaslaternen-Netzes gestritten. Nun geht der Streit offenbar auf die Zielgerade. Am Montag, den 9. November gibt’s eine große Gaslaternen-Anhörung im Henkel-Saal, Ratinger Straße 25. Ab 16 Uhr für die Bezirksvertretungen, ab 19 Uhr für alle Bürger. Am 10. Dezember soll dann der Stadtrat über das Schicksal der Laternen entscheiden.
Lesenswert: Offener Brief
Auch Rechtsanwalt Hermann-Josef Piepenbrock sorgt sich um Düsseldorfs Traditions-Lampen. Und machte sich die Mühe, alle Fakten zu bündeln. Und sie in einem sehr lesenswerten, offenen Brief an alle Ratsmitglieder zu schicken. Damit hinterher niemand sagen kann, er habe von nichts gewußt.
Wenn Sie ihn auch lesen mögen, finden Sie ihn unten.
Aber worum geht’s eigentlich bei den Laternen,. Wer streitet sich — und warum? Eine kleine Einleitung:
Tausende Bürger wollen ihre lieb gewonnen Leucht-Oldies behalten, Teile der Verwaltung sie unbedingt durch LED-Laternen ersetzen. Weil es angeblich billiger sei.
Umrüstung — Kosten liegen im Dunkeln
Doch auf belastbare Zahlen warten die Bürger bis heute. Im „Masterplan 2010 — 2015 energieeffiziente Straßenbeleuchtung“ steht, dass die Umrüstung von Gas auf LED pro Laterne nur 4000 Euro koste.
Der Bund der Steuerzahler hingegen stellt fest, dass die Wirklichkeit dieser Berechnung ein böses Veilchen verpasst hat.
Er schreibt: „ Die Bürger aus dem Düsseldorfer Stadtteil Lohausen dürften sich aber selbst bei dem höheren Preis „hinters Licht geführt“ fühlen. Auf ihren Straßen wurden nämlich bereits 43 Gaslaternen umgerüstet. Kostenpunkt: 500.000 Euro. Macht pro Gaslaterne 11.627 Euro. Fast das Dreifache der genannten 4.000 Euro, fast das Doppelte der errechneten 6.000 Euro. Nachzulesen in der Vorlage Ö 66/43/2009.“
Wer will LEDs? Und warum…
Als Bürger dieser Stadt fragt man sich nun: Warum das ganze Theater? Wer hat ein Interesse daran, den Anwohnern hohe Kosten aufzubürden? (Bis zu 50% der Umrüstkosten) Wer profitiert davon?
Lokalbüro hat recherchiert und hat — ohne Anspruch auf Vollständigkeit — schon mal einen entdeckt: EnBW — der Mehrheits-Eigner unserer Stadtwerke.
Hintergrund: Die Stadtwerke bleiben auf einem Teil der Kosten für das Gasnetz sitzen, können sie nicht zu 100% an uns Verbraucher durchreichen. Die Bundesnetzagentur verbietet das. Der Grund sind die Gaslaternen, sie machen das Netz ineffektiv. Viele kleine Verbraucher, niedriger Druck, kilometerlange Zuleitungen.
Die Stadt bestätigt…
Das Amt für Kommunikation schrieb: „Durch den Anschluss der Gasleuchten entstehen höhere Unterhaltungskosten am Gasnetz, die auf die Nutzungsentgelte umgelegt werden. Die Stadtwerke Düsseldorf haben ihre Netzkosten (Gas) bei der Bundesnetzagentur angemeldet. Ergebnis der ersten Prüfung durch die Bundesnetzagentur ist, dass das Netz der Stadtwerke im Vergleich mit anderen nicht effizient ist und somit werden die Kosten nicht zu 100 Prozent anerkannt.
Hier nunmehr der offene Brief von Rechtsanwalt Hermann-Josef Piepenbrock
Sehr geehrte Damen und Herren,
unser Rechts- und Verkehrsdezernent Stephan Keller erklärte der Presse am 2. November, er wolle „aufräumen mit der Desinformation“ und den angeblich falschen Fakten der Gaslichtbefürworter. Diese hatten öffentlich gemacht, dass es keinerlei rechtliche oder tatsächliche Notwendigkeit für den Abriss der bestehenden Gaslaternen gebe, dass ein Abriss Stadt und Bürger teuer zu stehen komme und dass die Verwaltung den Bürgern Sand in die Augen streue, wenn sie davon spreche, die Gaslaternen sollten auf LED-Technik umgestellt werden. Denn dies suggeriere, die alten Laternen als solche würden bleiben und es würde lediglich die Gastechnik durch LED-Technik ersetzt.
Wie sind denn nun tatsächlich die Fakten?
Zunächst: Mit „Umrüsten“ meint die Verwaltung einen kompletten Austausch der jeweiligen Laterne. Mit Ausnahme weniger Alt-Düsseldorfer Laternen soll — so nun ausdrücklich die Info — nichts bleiben.
Stadt und Stadtwerke haben ein Rechts- und ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Es wurden konkret die Punkte Energieeffizienz, Produktsicherheit, Naturschutz, Beschaffungsvorgaben, Gleichstellung behinderter Menschen und die Haftung bei unzureichender Beleuchtung geprüft. Beide Gutachten kamen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass unter keinem der geprüften Aspekte eine rechtliche oder auch nur tatsächliche Notwendigkeit bestehe, die vorhandenen Gaslaternen großflächig abzureißen.
Wie kommt nun der Jurist Keller zu der Behauptung, dass auch für Gaslicht durch gesetzliche Vorgaben teure Umrüstungen anstünden? O‑Ton „seines eigenen“ Gutachtens: „Gaslampen werden in dieser Verordnung nicht aufgeführt. Somit gilt die Öko-Design-Richtlinie 2009/125/EG für die Gasbeleuchtungsanlagen nicht.“
Zwar klingt seine Aussage verlockend, unter Einbeziehung der Betriebs- und Investitionskosten hätten sich die Kosten für die Umrüstung bereits nach viereinhalb Jahren amortisiert. Aber: Seine eigenen Zahlen belegen das Gegenteil. Dem WDR erklärte er, die Umrüstung von 10.600 Leuchten koste 50 Mio. €. Das macht pro Laterne 4.717 €, (diese Zahl belegt er nicht — in Berlin und Frankfurt wurde für die gleiche Aktion zwischen 8.000 bis 10.000€ pro Stück gezahlt). Es sollen pro Jahr 284 € für Wartung und Energie einspart werden. Nach viereinhalb Jahren kämen so aber nur 1.278 € und nicht 4.717 € zusammen. Damit würden unter Zugrundelegung der Zahlen von Herrn Keller pro Laterne noch 3.439 € fehlen. Insgesamt ergibt sich nach den eigenen Zahlen der Verwaltung ein Defizit von 36,5 Millionen Euro, nach den anderen Berechnungen sogar von bis zu 92,5 Mio.! Auf diese Fehlberechnung hatte bereits der Steuerzahlerbund deutlich hingewiesen. Da ich Herrn Keller weder eine Täuschungsabsicht noch Dummheit unterstelle, frage ich mich, ob seine Botschaft nicht vielmehr lautet: Wer rechnen kann, der rechne und sehe selbst, dass sich der Abriss nicht lohnt!?
Auf dem Info-Abend in Gerresheim ließ Herr Keller vortragen, es gebe Probleme bei der Ersatzteilbeschaffung, insbesondere die Masten seien durchgerostet und würden nicht mehr angeboten. Im Gutachten heißt es dagegen: „Alle weiteren Anlagenkomponenten (außer Glühkörper) haben eine hohe Lebensdauer und bedürfen über einen langen Zeitraum keinem Ersatz oder Austausch (…) Tragsysteme, Gussmasten, Glaswannen und Glühkörper sind noch erhältlich.“
Darüber hinaus wurden Sanierungskosten von über 3.000,– Euro für jede Laterne in den Raum gestellt. Von kleinen, kostenmäßig überhaupt nicht ins Gewicht fallenden Reparaturen einzelner Laternen, die zudem in der o.g. Pauschale enthalten sind, steht ein Sanierungsbedarf unserer Gasbeleuchtung überhaupt nicht an. Sie kann vielmehr noch zahlreiche Jahrzehnte in der bestehenden Art ihren Dienst verrichten.
Schließlich: Wo sind die besonderen Gefahren von Gaslicht bei Unglücksfällen? In den mehr als 100 Jahren Düsseldorfer Gaslicht hat es keinen einzigen „Gaslicht-Verletzten“, keine einzige Explosion oder sonst etwas Schlimmes gegeben.
OB Geisel äußerte kürzlich, die Stadt habe zurzeit dringendere Aufgaben, als sich mit den Vor- und Nachteilen der Gasbeleuchtung auseinander zu setzen. Aber allein eine Deckungslücke in Höhe von mehr als 36 Millionen € nach den eigenen Daten der Verwaltung (oder sogar 92 Mio.) muss doch jeden Verantwortlichen, jedenfalls verantwortlich Denkenden in Rat, Bezirksvertretungen und auch der Verwaltung, hellhörig werden und die Notbremse ziehen lassen. Dies gilt erst Recht, da es keinerlei rechtliche oder tatsächliche Notwendigkeit gibt, sich in ein derartiges Investitionsrisiko zu stürzen.
Niemand von Ihnen wird sagen können, er habe von nichts gewusst, wenn „plötzlich“ die Millionen fehlen, um den ohne Not beschlossen Abriss zu refinanzieren. Zumindest dafür haben die von Herrn Keller kritisierten Bürger und seine eigenen Zahlen und Gutachten gesorgt. Da hilft es auch nicht, wenn CDU-Fraktionsgeschäftsführer Christian Zaum ggü. der WZ erklärt, „die vorgelegten Zahlen sind plausibel“. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall — sie sprechen klar und eindeutig gegen den Abriss.
Jeder von Ihnen, der jetzt für den Abriss stimmt, wird sich später fragen lassen müssen: „Warum haben Sie ohne Not bei einer so klaren Faktenlage der Geldverschwendung und Zerstörung des wohl bedeutendsten Kulturdenkmals Düsseldorfs zugestimmt?“ Daher meine herzliche Bitte an Sie Alle, lassen Sie es nicht dazu kommen. Stimmen Sie den Abriss- bzw. „Umrüstungs-“plänen am 10. Dezember nicht zu.
Mit freundlichen Grüßen eines besorgten Bürgers
Hermann-Josef Piepenbrock