Archiv­bild Stadt­di­rek­tor Burk­hard Hintzsche und Miriam Koch, Lei­te­rin des Amtes für Migra­tion und Inte­gra­tion, wie­sen bei einem Vor-Ort-Ter­min auf die Auf­ent­halts- und Über­nach­tungs­mög­lich­kei­ten für Obdach­lose hin,©Landeshauptstadt Düsseldorf/Michael Gstettenbauer

 

459 Men­schen erfasst, davon 239 Obdachlose
Erkennt­nisse sol­len in Wei­ter­ent­wick­lung des Hil­fe­sys­tems eingehen

Die Ergeb­nisse einer Nacht­zäh­lung von Men­schen mit Lebens­mit­tel­punkt auf der Straße wur­den am Diens­tag, 23. August, im Aus­schuss für Gesund­heit und Sozia­les vor­ge­stellt. Die Zäh­lung sollte belast­ba­rere und dif­fe­ren­zier­tere Erkennt­nisse über die Bedarfe erbrin­gen, um das Hil­fe­sys­tem wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Bis­lang erhiel­ten die seit 1994 statt­fin­den­den Nacht­zäh­lun­gen nur quan­ti­ta­tive Erhe­bun­gen. Nach einer Neu­kon­zep­tion wur­den jetzt erst­mals auch qua­li­ta­tive Ergeb­nisse erho­ben, die Auf­schluss über Gründe der Woh­nungs­lo­sig­keit, zur All­tags­struk­tur oder zu Aus­wir­kun­gen der Corona-Pan­de­mie geben.

Bei der nächt­li­chen stadt­wei­ten Zäh­lung wur­den im Okto­ber 2021 ins­ge­samt 459 Men­schen erfasst, davon 239 Men­schen, die obdach­los schie­nen, 22 Men­schen in Kli­ni­ken sowie 198 Men­schen in Not­schlaf­stel­len. Dem­nach schla­fen in Düs­sel­dorf 239 Men­schen auf der Straße und haben die Ange­bote des Hil­fe­sys­tems zum Zeit­punkt der Zäh­lung nicht wahr­ge­nom­men. Um diese Zahl zu erhe­ben, wur­den 179 Sozi­al­räume von 70 Zähl­teams mit 141 Zäh­le­rin­nen und Zäh­lern began­gen oder befahren.

Zudem wur­den 2.241 Post­adres­sen und 461 Men­schen als Kon­troll­zah­len vom Job­cen­ter erfasst. Diese Men­schen erhal­ten Leis­tun­gen nach SGB II, haben aber kei­nen fes­ten Wohnsitz.

Ergeb­nisse der qua­li­ta­ti­ven Studie
Ins­ge­samt 30 Men­schen wur­den mit­hilfe von leit­fa­den­ge­stütz­ten Inter­views befragt, um mehr Erkennt­nisse zu Lebens­la­gen von Men­schen zu erhal­ten, die in Düs­sel­dorf woh­nungs­los sind. The­ma­ti­siert wur­den unter ande­rem Gründe der Woh­nungs­lo­sig­keit, Gesund­heit und Krank­heit oder die mate­ri­elle Situa­tion. Als Gründe für Woh­nungs­lo­sig­keit wur­den so unter ande­rem der Ver­lust von per­sön­li­chen und fami­liä­ren Bezie­hun­gen und der Ver­lust der Arbeits­stelle genannt. Auch Räu­mungs­kla­gen, psy­chi­sche Krank­hei­ten oder — spe­zi­fisch bei Frauen — Gewalt in der Bezie­hung oder Fami­lie wur­den genannt.

Aus den Ergeb­nis­sen der Stu­die konn­ten Hand­lungs­emp­feh­lun­gen abge­lei­tet wer­den. So soll­ten bei­spiels­weise Gesund­heits­the­men in den Fokus gerückt und mul­ti­mor­bide Krank­hei­ten berück­sich­tigt wer­den. Hil­fe­leis­tun­gen seien so zu gestal­ten, dass Betrof­fene diese anneh­men. Die Ange­bote der Woh­nungs­lo­sen­hilfe soll­ten zudem nicht nur für, son­dern auch mit den Men­schen selbst wei­ter­ent­wi­ckelt werden.

“Die Ergeb­nisse der Stu­die sind auf­schluss­reich, um das Hil­fe­sys­tem für Men­schen mit Mit­tel­punkt auf der Straße anzu­pas­sen und wei­ter zu ver­bes­sern”, sagt Miriam Koch, Bei­geord­nete für Kul­tur und Inte­gra­tion. “Eine Emp­feh­lung haben wir bereits umge­setzt: Als Kon­se­quenz aus der Corona-Pan­de­mie wer­den Men­schen in Düs­sel­dor­fer Not­schlaf­stel­len mitt­ler­weile nur noch in Ein­bett- und Zwei­bett­zim­mern unter­ge­bracht. Das ist ein neuer ver­bind­li­cher Stan­dard, der von den Nut­ze­rin­nen und Nut­zern sehr begrüßt wird.”

Ein Neben­ef­fekt der neuen Bele­gungs­struk­tur: Die Ein- bezie­hungs­weise über­wie­gende Zwei­bett­zim­mer­re­ge­lung hat die unter­ge­brach­ten Men­schen bis­lang weit­ge­hend vor grö­ße­ren Infek­ti­ons­ge­sche­hen bewahrt. Zudem beugt die gerin­gere Bele­gungs­dichte Kon­flik­ten vor. Die Men­schen kom­men eher zur Ruhe und las­sen sich im Ergeb­nis bes­ser auf Bera­tungs­pro­zesse ein, um für sich neue Per­spek­ti­ven zu entwickeln.

Hin­ter­grund: Zählung
Die “franz­freunde” erhiel­ten vor dem Hin­ter­grund ihrer Zustän­dig­keit für die Street­work­ko­or­di­na­tion den Auf­trag zur Koor­di­na­tion der Nacht­zäh­lung. Die Düs­sel­dor­fer Pro­fes­so­ren Dr. Rein­hold Knopp und Dr. Anne van Rie­ßen von der Hoch­schule Düsseldorf

wur­den mit der wis­sen­schaft­li­chen Beglei­tung beauf­tragt. Der Trä­ger der Sozi­al­hilfe soll gemäß Para­graf 4 SGB XII mit den Akteu­ren zusam­men­ar­bei­ten, deren gesetz­li­che Auf­gabe dem glei­chen Ziel dient und hierzu Arbeits­ge­mein­schaf­ten bil­den. Das heißt, die Trä­ger der Fach­hilfe — “franz­freunde”, Dia­ko­nie, Cari­tas­ver­band und SKM — bil­den zu die­sem Zweck gemein­sam mit dem Amt für Migra­tion der Lan­des­haupt­stadt Düs­sel­dorf die Fach­be­reichs­runde. Diese Fach­be­reichs­runde wird die Ergeb­nisse des Berich­tes im wei­te­ren Ver­lauf dis­ku­tie­ren und Hand­lungs­emp­feh­lun­gen ableiten.